Alphabet, Q2/2021:

 

Das organische Umsatzwachstum von 57% auf 61,88 Mrd. USD ist extrem hoch. Bezogen auf das organische Wachstum von 57% muss allerdings erwähnt werden, dass Alphabet im Vorjahresquartal erstmals seit dem IPO 2004 nicht gewachsen war, nachdem das Werbegeschäft von Google während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 stagnierte, weshalb die Vergleichsbasis im Jahresvergleich für Alphabet, die langjährig satt zweistellig zulegen, untypisch niedrig ist. Der 2-Jahres-Vergleich, also der Vergleich mit dem letzten Q2 vor Corona, bestätigt gleichwohl die sehr hohe Wachstumsdynamik: Der Umsatz in Q2/2019 betrug 38,9 Mrd. USD, jetzt sind es 61,88 Mrd. USD – im Durchschnitt der beiden Jahre ist Alphabet also mit rd. 26% p.a. gewachsen. Das ist leicht oberhalb des Bereichs von 20% bis 25%, den Alphabet langfristig schafft. Tendenziell hat sich das hohe Wachstumstempo von Alphabet gegenüber früher also nochmals leicht beschleunigt. Weshalb?

Es gibt drei Gründe:

Erstens bietet Google DIE führenden Kanäle fürs Online-Werbegeschäft: Google Search und Youtube sind mit tatsächlich riesigem Vorsprung die meistbesuchten Webseiten weltweit. Die Nummer 3 ist Facebook, wobei Google Search fast 4x öfter aufgerufen wird als Facebook und auch Youtube wird rd. 30% öfter besucht als Facebook. Nummer 4 hinter Facebook ist Twitter, wobei Facebook 4x mehr besucht wird als Twitter, und Twitter liegt leicht vor Instagram. Amazon liegt übrigens an Stelle 13.

Zweitens investiert Google intensiv in die stetige Weiterentwicklung des Werbegeschäfts bei Search und bei Youtube, vor allem mit immer wieder verbesserten AI-Tools. So hat Google bei Search mit MUM (Multitask Unified Models) eine weiterentwickelte AI-gestützte Plattform eingeführt, die Search, so CEO Pichai im Quartals-Call, 1.000x effizienter macht. MUM lernt in 75 Sprachen, so dass Informationen, die es in einer Sprache verarbeitet, in 74 anderen Sprachen in Echtzeit wiedergeben kann. Auch bei der AI-gestützten Spracherkennung macht Google mit der neuen Plattform Lambda den nächsten Schritt, den Zugang zu Computern und zum Internet zu erleichtern. Lambda wird nach und nach über alle Google-Plattformen eingeführt. Pichai erwähnte im Call, ein großes F&E-Projekt sei, mit AI-Hilfe zu erreichen, dass Computer bald „multi-modal“ verstehen, egal, ob Quellen Audio, Text, Fotos, Images oder Videos sind. Außerdem testet Google gerade die Beta-Version von „Performance Max“, einem AI-gestützten Werbekampagnen-Tool, mit dem Werbekunden in Echtzeit Ads über alle Google-Plattformen von Search bis Youtube automatisch buchen können. Die bisherigen Tests mit Kunden zeigen, dass die Online-Umsätze der Kunden mit dem Tool merklich steigen. Andere neue AI-basierte Datenanalyse-Tools erlaubt es Händler-Kunden, in Echtzeit ein klares Bild darüber zu bekommen, wo bei Search, Display und Youtube die Nachfrage gerade hingeht, und sie können mit Hilfe dieser Tools in Echtzeit reagieren. Das Analyse-Tool z. B. für den Reisesektor heißt „Travel Insight“, Kunden wie Hotels haben damit die Zahl direkter Buchungen auf der jeweiligen Hotel-Webseite im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt bis verdreifacht. So müssen sie also erheblich weniger Umsatzanteile an Online-Vermittler abgeben. Booking, Trivago etc. mögen Google definitiv noch weniger als bisher. Die AI-gestützten ad-Tools sind mittlerweile so effizient, dass 80% der Werber ausschließlich automatisierte Auktionen nutzen. Bei Retail baut Google weiter aggressiv an einer offenen Shopping-Plattform, von der Händler und Nutzer besser als bei amazon profitieren: nachdem Google während der Lockdowns ein kostenfreies product listing und den zeitweisen Verzicht auf Erfolgsprovision ermöglicht hat, bietet Google nun Händlern, die z. B. bei Shopify oder WooCommerce Produkte verkaufen, die Möglichkeit an, Produkte bei Google kostenfrei zu zeigen. Shopping präsentiert mittlerweile 24 Mrd. gelistete Produkte von mehreren Millionen Händlern auf der Basis eines AI-gestützten Tools mit Suchanfragen. Google hat für Händler des Weiteren ein AI-gestütztes Messungs-Tool eingeführt, mit dessen Hilfe sie Kampagnen, Preise und Absatzstrukturen besser verstehen und mit entsprechenden Verbesserungen ihren Unternehmenserfolg erhöhen. Auch für Online-Käufer bringt Google weitere Tools, etwa Lens, also dem Kauf von Produkten, die man per screenshot oder Smartphone-Kamera erfasst hat. Youtube und Search unterstützen Händler ebenfalls gezielt beim Omnichannel- Vertrieb; Youtube zeigt auf AI-Basis ermittelten potentiellen Produktkäufern gezielt Werbefilme von Händlern, was bei beteiligten Händlern die Zahl von Online-Käufern deutlich erhöht hat. Youtube wird für Werber ein immer wertvollerer und zugleich kosteneffizienter Kommunikationskanal: Nielsen hat in einem „Total Ad Rating reach reporting“ dargelegt, dass Youtube rd. 70% Nutzer erreicht, die die Werbung im TV nicht erreicht. Zudem hat Nielsen herausgefunden, dass Werber, die 20% ihres TV-Werbebudgets für Werbung bei Youtube verwenden, die Kampagnenreichweite um 25% erhöhen und die Werbekosten um 20% senken. Für Werber, die mit ihren Kampagnen auf direkte Nutzerreaktionen abzielen, ist Youtube ebenfalls ein effizienter Kommunikationskanal mit hohen Werten bei direkten Nutzerreaktionen und bis zu 70% mehr Kauf-Transaktionen. Damit Youtube seine Attraktivität für Nutzer weiter steigert, investiert Youtube unverändert massiv in neue, exklusive Inhalte und neue Produkte.

Drittens nutzt Google die enorm hohe und schnell wachsende Cash-Produktion sehr erfolgreich, um neue Geschäftsfelder aufzubauen, ob das Cloud-Geschäft oder Services von Google Pay über die App-Vermarktung bei Google Play bis zu Streaming-Abos oder Hardware.

Umsatz:

Das Kerngeschäft, die Werbung, hat mit 68,9% auf 50,44 Mrd. USD besonders stark zugelegt, hiervon das große Ads-Geschäft bei Search +68,1% auf 35,85 Mrd. USD. Youtube-Ads, mittlerweile gewohnt DER Wachstumstreiber, mit 83,7% auf 7 Mrd. USD. Hinzu kommen von Google nicht bezifferte Youtube-Umsätze aus Abos. Zum Vergleich: Der Netflix-Quartalsumsatz betrug 7,3 Mrd. USD. Weitere Wachstumsquelle ist Google Network (also Ads-Umsatz, der von Partnern kommt; Treiber sind AdManager und AdMob), mit dieses Mal +60,4% auf 7,6 Mrd. USD, was erheblich dynamischer ist als in der Vergangenheit.  Gerade Youtube und das Geschäft aus dem Netzwerk zeigen, dass das Online-Werbegeschäft aktuell wirklich boomt. Im Quartals-Call erwähnte Chief Business Officer Schindler, dass Ads aus den Bereichen Retail und Reise die größten Wachstumsquellen im Berichtsquartal waren, daneben haben Finanz-Services und Unterhaltung deutlich zugelegt. Das aktuelle Wachstumstempo im Werbegeschäft dürfte nicht dauerhaft so hoch bleiben, weil einige Wirtschaftsbereiche, die wie Retail und Reise während der Lockdowns gelitten haben, nun ihr Geschäft mit mehr Werbung wieder ankurbeln. Dennoch wächst das Online-Werbegeschäft strukturell satt zweistellig und Google ist global der TOP-Player in diesem Geschäftsfeld vor Facebook. Die TACs (Traffic Acquisition Costs), also der Umsatzanteil für Dritte (etwa Mediaagenturen) im Werbegeschäft, legen um 63,3% auf 10,92 Mrd. USD wie meist etwas weniger stark zu als der Werbeumsatz, weil der Google-eigene Anteil im Werbegeschäft strukturell steigt.

Das Services-Geschäft wächst – bei hoher Vergleichsbasis im Jahresvergleich – mit 29,3% auf 6,62 Mrd. USD robust und zuverlässig. Das größte Umsatzwachstum bei den Services liefert mittlerweile das Abo-Geschäft bei Youtube, gefolgt vom Hardware-Geschäft und von Google Play. Apple CEO Cook hatte kürzlich darauf verwiesen, dass App-Entwickler über den App Store von Apple bisher rd. 500 Mrd. USD umgesetzt haben. Alphabet-CEO Pichai bezifferte im Call den entsprechenden Wert für Google Play mit 120 Mrd. USD. Das illustriert die zentrale Bedeutung des Apple-App Store und von Google Play für die App-Industrie – wobei auch hier deutlich wird, dass Apple in jeder Hinsicht in einer eigenen Liga spielt. iPhone-Kunden sind tendenziell kaufkräftigere Kunden als Android-Smartphone-Nutzer und geben mehr Geld z. B. für Apps aus. Youtube hat täglich mittlerweile über 2 Mrd. Nutzer, täglich werden mehr als 1 Mrd. Stunden Videos angeschaut. Alleine in den USA schauen lt. Pichai 150 Mio. Menschen Youtube-TV, das sind 50% mehr als im Vorjahr. Das Cloud-Geschäft legt mit +53,9% auf 4,63 Mrd. USD unverändert schneller zu als bei den beiden größeren Wettbewerbern AWS und Microsoft Azure. Wachstumstreiber sind die AI-basierte Echtzeit-Datenanalyse-Plattform von GCP (Google Cloud Plattform) für Großkunden sowie Kollaborations-Tools wie Google Docs und Sheets. Pichai erwähnte, dass das Orderwachstum gerade im Großkundengeschäft weiterhin äußerst dynamisch sei. Als neue Cloud-Kunden nannte Pichai PayPal, Johnson Controls und Whirlpool, bei denen sich die neue Kooperation von GCP mit SAP bereits auszahle, weil diese Kunden SAP-Software nun in der Google Cloud betreiben. GCP gewinnt auch neue Kunden wegen der vermehrten Cyber-Angriffe, weil GCP in den letzten beiden Jahren mit einem neuen „zero trust“-Ansatz in eine Cyber Security-Plattform investiert hat und dies fortsetzt. Die Cyber Security-Plattform bietet mehrere horizontale und vertikale Schutz-Abstufungen und begrenzt die Auswirkungen von Cyber-Attacken von vorneherein. GCP kooperiert bei der Cyber Security auch mit anderen Softwareanbietern, etwa mit Adobe beim Betrugsschutz. Haupttreiber des Kundenwachstums bei GCP ist nach wie vor die überlegene Kompetenz von Google bei der AI-gestützten Analyse großer Datenmengen in Echtzeit, weil dies für die GCP-Kunden eine wichtige Ressource sowohl für die digitale Transformation der Geschäftsprozesse als auch für einen höheren vertrieblichen Erfolg ist. Das Produkt „BigQuery“ bringt GCP-Kunden höhere Umsätze und senkt Kosten. GCP bietet industriespezifische Lösungen an. Als weiteres Fokus-Segment wird nun die Industrie angegangen, bisher sind es vor allem Retail, Finanzen, Telekommunikation, Consumers. Für dieses Segment kooperiert GCP mit Siemens. Als Neukunden aus dem Telekom-Sektor nannte Pichai Reliance, Telecom Italia und Ericsson, Bestandskunden wie Vodafone weiten die GCP-Nutzung fürs 5GGeschäft und für mobile edge computing aus.

Ein weiterer Wachstumstreiber im Cloud-Geschäft ist Google Workspace, da hybrides Arbeiten auch nach Ende der Lockdowns verbreitet bleibt. Workspace bietet neuerdings verbesserte Kamera-Tools und neue Security-Dienste für hybrides Arbeiten an.

Bei Android kommt mit Android 12 ein Update, welches eine bessere Personalisierung der Geräte ermöglicht, erheblich schneller ist und die Batterielaufzeit erhöht; ein neues Privacy-Menu soll die Sicherheit und Privatheit verbessern.

Pichai kündigte des Weiteren weitere Google Stores an, der erste in New York ist eröffnet, wo sie vor allem ihre Hardware (Pixel, Nest, Pixelbook und Fitbit) zeigen und verkaufen.

Die „other bets“ (z. B. Waymo/autonomes Fahren, DeepMind/Quantencomputer, Google Ventures/Beteiligungen an rd. 400 Start-ups, Capital G/Private Equity-Beteiligungen wie z. B. Lyft/Airbnb/Robinhood, Calico/Biochemie und Verily/AI-basierte Wearables im Healthcare-Bereich) haben 192 Mio. USD (+29,7%) umgesetzt.

Für Q3 erwartet Alphabet ein weiter dynamisches Umsatzwachstum, CFO Porat geht allerdings von etwas nachlassendem Rückenwind aus, vor allem, weil das Werbegeschäft niedrigere Nachholeffekte haben dürfte.

Margen:

Das Ebit des Konzerns wächst mit +203,3% auf 19,36 Mrd. USD; der auch hier aussagekräftigere 2-Jahres-Vergleich: 9,18 Mrd. USD Ebit in Q2/2019, d. h. +110,9% bzw. durchschnittlich rd. +45% p. a. Das ist eine enorme Steigerung des operativen Ergebnisses, zumal man berücksichtigen muss, dass Alphabet zur Eroberung neuer Geschäftsfelder heute noch weitaus mehr Finanzmittel für F&E in allen Konzernbereichen (insbesondere AI, innovative Cloud-Technologien, Youtube- Inhalte, autonomes Fahren) sowie in Produktentwicklung/Marketing/Vertrieb im Cloud-Geschäft und bei Youtube in die Inhaltebeschaffung investiert, als vor 2 Jahren. Zusammen sind es rd. 13 Mrd. USD in einem einzigen Quartal. Da aber die Kosten langsamer wachsen und die Skaleneffekte hoch sind, insbesondere beim wachsenden Digitalgeschäft, steigt die operative Marge (oM) auf sehr hohe 31,3% (vor 2 Jahren 23,6%). Das Ebit von Search, Youtube und der Services beträgt 22,34 Mrd. USD, das entspricht einer beeindruckend hohen oM von 39,15%. Die other bets fahren weiter hohe Verluste ein, dieses Mal im Jahresvergleich auch steigend (Ebit -1,4 Mrd. USD ggü. -1,12 Mrd. USD im Vorjahr). CEO Pichai hat wohl deshalb jüngst den Geldhahn bei Loon zugedreht (Internet für dünnbesiedelte Regionen per fliegender Ballone). Calico und Verily haben mehrere Projekte eingestellt. Waymo, die noch kein tragbares Geschäftsmodell zu haben scheinen und die enorm viel Kapital gerade für die Entwicklung von Level 5 benötigen, dürften den Großteil des operativen Verlusts der other bets verursachen, auch wenn Waymo der größte Umsatzbringer der other bets sein dürfte, weil Autohersteller Level 4-Produkte von Waymo nutzen. Alphabet hat wegen des per Saldo hohen Kapitalbedarfs bei Waymo bei einer Kapitalerhöhung über 3,2 Mrd. USD externe Investoren reingeholt und einen Minderheitsanteil abgegeben, um die eigene Kapital-Injektion zu begrenzen. Auch DeepMind verschlingt seit Jahren viel Geld (angeblich 1 Mrd. USD pro Jahr), hat allerdings im Frühjahr eine bisher als unlösbar geltende Aufgabe gelöst: Mit der gigantischen Rechnerleistung seines Quantencomputers und mit Hilfe künstlicher Intelligenz kann DeepMind die Struktur komplexer Proteine präzise berechnen. Daraus ergeben sich für die biomedizinische Forschung gänzlich neue Potentiale und damit ein großer Markt für Deep Mind. Im Call erwähnte Pichai, dass DeepMind seine neue „AlphaFold Protein Structure Database“, die die Anzahl von präzisen menschlichen Protein-Strukturen verdoppelt, Forschern zur Verfügung stellt. Gleichwohl schlummern in den Beteiligungen von Capital G und Google Ventures wohl hohe Reserven, was man jedes Quartal in der nach US-Gaap vorzunehmenden Bilanzierung von (nicht-realisierten) Bewertungsänderungen bei den Beteiligungen sieht, die nicht selten pro Quartal im Milliardenbereich liegen (im Berichtsquartal 2,77 Mrd. USD nicht-realisierte Bewertungszuwächse). Und Waymo wird von Analysten mit 100 bis 150 Mrd. USD bewertet, wenn Alphabet bei Waymo ein IPO machte. Mit „Intrinsic“ hat Alphabet jüngst ein „moonshot“-Projekt aus den „other bets“ herausgelöst und in eine eigene Firma überführt. Intrinsic arbeitet an Software-Tools für Industrie-Roboter. Alphabets letztes Robotik-Experiment endete nicht erfolgreich. 2017 wurde Boston Dynamics an Softbank verkauft, mutmaßlich, weil keine vermarktbaren Produkte zu erwarten waren. Intrinsic entspringt Alphabets Entwicklungsabteilung X und deren „Moonshot Factory“, die sich mit Zukunftstechnologien befasst. Waymo war ebenfalls seinerzeit ein Projekt bei X. Intrinsic soll bereits seit etwa fünf Jahren forschen, also etwa seit dem Verkauf von Boston Dynamics. Deshalb kann Intrinsic auch bereits erste Produkte (etwa bei automatisierter Wahrnehmung, Deep Learning, Reinforcement Learning, Bewegungsplanung, Simulation und Kraftsteuerung) und Kooperationen präsentieren. Neben den other bets ist auch Google Cloud weiterhin defizitär, wobei das hohe Wachstumstempo den operativen Verlust erfreulich zügig mindert: Im Vorjahresquartal lag der Ebit-Verlust bei 1,43 Mrd. USD (-47,4% oM), jetzt sind es noch 591 Mio. USD Ebit-Verlust (-12,8% oM). Allerdings dürfte Cloud insgesamt mehr Geld kosten als im Ebit-Verlust dokumentiert, denn der Capex für den Ausbau der Datencenter-Infrastruktur ist lt. Porat weiterhin eines der größten Capex-Vorhaben im Konzern (konkrete Zahlen nennt sie nicht), wobei die Datencenter nicht nur fürs Cloud-Geschäft genutzt werden, sondern auch von den anderen Geschäftssegmenten. Corporate hat einen Ebit-Verlust von 993 Mio. USD.

Der Free Cash Flow im Quartal legt im 2-Jahres-Vergleich um 152,2% auf 16,39 Mrd. USD zu! Somit beträgt die Free Cash Flow-Marge 26,5% (Net Working Capital-bereinigt 27,8%). Alphabet verdient immer mehr und mehr. Sie haben auf sechs Monate mit 29,74 Mrd. USD (25,38% Free Cash Flow-Marge) jetzt schon mehr verdient als nach den starken 9 Monaten des letzten Jahres (25,65 Mrd. USD), obwohl sie extrem stark in neue Geschäfte investieren, wie oben geschildert. Auf 6 Monate hat Alphabet 11,44 Mrd. USD investiert und 15,16 Mrd. USD für F&E eingesetzt, das sind sehr hohe 22,7% des Umsatzes. Auf das Ads-Kerngeschäft entfällt ein kleinerer Teil, wobei Alphabet keine Zahlen nennt, aber CFO Porat weist in fast jedem Call darauf hin, dass für AI, Cloud, Youtube-Inhalte und Waymo, also für neue Wachstumsfelder, der Großteil der Ressourcen eingesetzt wird. Mit anderen Worten: Würde sich Alphabet auf die extrem profitablen Geschäftsbereiche Search, Youtube und Play fokussieren, würden sie noch höhere Margen ausweisen. Aber weil Alphabet so prächtig verdient, setzen sie einen Teil der extrem hohen Margen ein, um neue Wachstumsgeschäftsfelder zu erobern. Pichai und Porat betonen dabei, dass Alphabet „for the long run“ investiert, sie nehmen über Jahre Verluste bei neuen Geschäftsaktivitäten wie Cloud und Waymo hin, haben aber das klare Ziel, mit diesen Geschäften zukünftig viel Geld zu verdienen, so wie mit den Kerngeschäften des Konzerns.

Die Bilanz:

  • Die Nettofinanzposition inkl. des Net Working Capitals beträgt sehr stolze 105,63 Mrd. USD, das net cash 121,54 Mrd. USD
  • Eigenkapital +6,7% auf sehr hohe 237,57 Mrd. USD (trotz 24,2 Mrd. USD Aktienrückkäufe 6M aus dem laufenden Rückkaufprogramm von 50 Mrd. USD) = 70,8% EK-Quote (+107 bps)
  • Die Gesamtkapitalverzinsung (RoCe) beträgt sehr hohe rd. 49% FYe
  • Bewertung: Der Enterprise Value beträgt das 26,3fache des Free Cash Flows FYe bzw. das 22,8fache 2022e. Den Fair Value nach Discounted Cash Flow-Methode sehen wir bei 3.100 – 3.200 USD/A-Aktie. Alphabet ist trotz des ansehnlichen Kurszuwachses gerade in den letzten Monaten unseres Erachtens nicht hoch bewertet. Bei der brillanten Qualität des Geschäfts, dem dynamischen Wachstum, den extrem hohen Margen, der brillanten Bilanz und dem künftig wohl eher noch höheren Wachstumspfad auch aus neuen Geschäftsfeldern ist Alphabet unserer Meinung nach vielmehr eher günstig bewertet.

Disclaimer

Teil 1: Robustheit in der (Corona-) Rezession

 

Robuste Cash Flows und solide Bilanzen sind die beste „Downside Protection“ und gleichzeitig Garant für langfristige Investitionssicherheit und eine hohe Performance gleichermaßen.

Beispiel: Alphabet Q1/2020

Nachdem wir, wie fast jedes Quartal, eine Nachtschicht mit Frau Porat (CFO) und Herrn Pichai (CEO) verbracht haben, folgend ein paar Anmerkungen zu ihrer exzellenten Arbeit im Berichtsquartal:

Nachbörslich legte der Aktienkurs zunächst 3% zu, schoss dann sogar rd. 7% hoch, als CFO Porat während des Quartal-Calls in der Q&A erläuterte, dass nach gewohnt starkem Umsatzwachstum im Januar und Februar ein Teil des ads-Umsatzes bei Google Search im März mit dem Beginn der corona-bedingten lockdwons weitgehend weggesackt sei, und zwar aus Bereichen wie Reise und zyklischer Konsum wie Mode/Auto/weiße Ware, aber der April kein weiteres Abrutschen des Werbegeschäfts verzeichne.  Zudem habe das Werbegeschäft bei Youtube diesmal besonders dynamisch zugelegt (weil die zu Hause kasernierten Nutzer halt noch mehr Videos angeschaut haben als sonst), genauso wie das Cloud-Geschäft und das Apps-Geschäft. Deshalb ist der Konzernumsatz zwar etwas langsamer gewachsen als im „eingeschwungenen“ Zustand üblich, aber die Wachstumsrate ist selbst jetzt zweistellig. Die konkreten Zahlen sind weiter unten notiert.

Außergewöhnliche Robustheit des Geschäftsmodells

Die Ausführungen von Porat illustrieren die außerordentliche Resilienz des Geschäftsmodells von Alphabet, dessen sieben Plattformen von Google, die mittlerweile jeweils (!) um/mehr als 2 Mrd. Nutzer weltweit haben (Search, Youtube, Android, Play/Apps, Maps, Chrome, Mail), zum Lebensalltag gehören, und die täglich genutzt werden. Alphabet ist also ein moderner „Consumer staples 2.0“. Der Großteil der Google-Plattformen basiert auf dem Werbegeschäft (82% des Konzernumsatzes, 7% kommen vom Cloud-Geschäft, 11% von Play/Apps und dem Hardware-Geschäft), weshalb Porats Äußerung sehr erfreulich war und folglich den nachbörslichen Kurshüpfer ausgelöst hat.

Bottom line ist Alphabet heute ebenfalls noch robuster als vor zehn Jahren, mit starker operativer Marge und deutlich zweistelliger Frre Cash Flow-Marge trotz nochmals erhöhter Investitionen ins Wachstum.

Das alles sind außerordentlich gute Erkenntnisse für uns Investoren!

Die wichtigen Details:

Operatives Wachstum: +15% auf 41,16 Mrd. USD, also rd. 400 bis 500 bps niedrigere Wachstumsrate als sonst.

Das Werbegeschäft legt mit 10,4% auf 33,76 Mrd. USD deutlich langsamer zu als üblich.

Die ads bei Search, Maps etc. wachsen inkl. der Netzwerkpartner mit 7,9% auf 29,73 Mrd. USD lockdown-bedingt vergleichsweise deutlich softer. Allerdings legt Google selber bei Search/Maps mit 11,6% auf 28,54 Mrd. USD weiterhin deutlich schneller zu als die Netzwerkpartner mit 4,1% auf 5,22 Mrd. USD. Google selber wächst also auch jetzt bei Search zweistellig. Die Netzwerkpartner, die immer hinterherhinken, bleiben derzeit noch weiter zurück, was nicht wundert, denn „Google, the winner, takes it all“

Youtube legt mit 33,5% höherem Umsatz auf 4,04 Mrd. USD besonders dynamisch zu, ebenfalls lockdown-bedingt, kann aber das niedrigere Wachstumstempo beim dominierenden Search-Geschäft nicht kompensieren, weshalb das Werbegeschäft im Konzern rd. ein Drittel langsamer zulegt als sonst – wobei 10,4% mehr Werbegeschäft bzw. +11,6% ohne Netzwerkpartner in diesen schwierigen Zeiten ein hocherfreuliches Ergebnis ist.

Neben Youtube ist das Apps-Geschäft der Lockdown-Profiteur, CEO Pichai erwähnte, die Nachfrage nach Apps sei äußerst dynamisch gewachsen, Umsatzzahlen nennt Alphabet weiterhin nicht. Aber Google Play sollte der Wachstumstreiber des Umsatzes von „Google other“ um 22,5% auf 4,4 Mrd. USD sein, denn das Hardware-Geschäft wächst idR hocheinstellig/niedrig zweistellig, auch wenn Nest und Pixel lt. Pichai gut verkauft werden.

Das Cloud-Geschäft legt mit 52,2% auf 2,78 Mrd. USD seit mehreren Quartalen extrem dynamisch zu. Das hat nichts mit den lockdowns zu tun, weil Google wenig im margenschwachen Datenspeichergeschäft ist (deshalb dürfte AWS von amazon besonders stark gewachsen sein, weshalb Analysten jubeln dürften, aber die Margen von AWS dürften vergleichsweise überschaubar bleiben), sondern mit seinen Cloud ML- und Google Suite-Plattformen immer mehr Firmenkunden für höherwertige Cloud-Produkte gewinnt. Deshalb ist unseres Erachtens, wie öfters erwähnt, eh‘ Microsoft Azure der (klar größere) Wettbewerber von Google Cloud und nicht AWS, die das Massengeschäft sehr gut abdecken. Platzhirsch Microsoft Azure und Herausforderer Google Cloud sind DIE Akteure im schnell wachsenden Hochmargengeschäft mit AI-gestützten intelligenten Cloud-Dienstleistungen für Großfirmen. Deshalb wächst vor allem das Großkundengeschäft, in dem sich Google Cloud zunächst auf sieben große Kundenindustrien konzentriert, die einen besonders hohen Bedarf an der Nutzung von Googles AI-Vorsprung haben (etwa Pharma, Retail, Consumer Staples, Finanzen), weiter sehr schnell, die run rate mit Kundenverträgen > 1 Mrd. USD legt lt. Pichai weiterhin in noch höherem Tempo zu als die aktuelle Wachstumsrate beim Umsatz (in der Industrie würde man sagen, „book-to-bill“ sehr deutlich > 1, d. h., die Auftragseingänge sind so hoch, dass der künftige Umsatz zu noch höheren Wachstumsraten führt), wobei Google Cloud keine konkreten Zahlen nennt (die Wettbewerber hören auch zu im Call …).

Zwar bremst selbst Google derzeit bei den Neueinstellungen, und sie streamlinen auch ihren sonstigen Opex lt. Porat, aber Alphabet investiert unverändert ganz massiv ins Wachstum, gerade in Artificial Intelligence (AI), weil sie ihren Vorsprung weiter ausbauen wollen und damit Search, Cloud und auch z.B. Waymo weiter pushen wollen, außerdem investieren sie weiterhin erheblich in das Großkunden-Cloud-Geschäft und in einige bets wie Waymo, also ins autonome Fahren, und Galico, die viele Forschungsprojekte mit Pharma-/Biotechfirmen von Novartis bis Pfizer zur AI-gestützten Entwicklung von neuen Medikamenten/Impfstoffen haben. Entsprechend hat Alphabet seine F&E-Ausgaben erneut um 13,1% auf 6,82 Mrd. USD hochgefahren (16,6% des Umsatzes!! – das ist ein höherer Anteil als alle Techs und z.B. forschungsintensive Pharmas!), und auch die Investitionen legen um enorm hohe 29,5% auf 6 Mrd. USD zu (14,4% des Umsatzes).

Wie kapitalintensiv ist Alphabet wirklich

Nun könnte man meinen, Alphabet sei mit F&E-Kosten und Capex von kumuliert 31% ein geradezu extrem kapitalintensives Geschäftsmodell (der Wert ist z.B. noch höher als bei äußerst kapitalintensiven Geschäften wie Auto, Maschinenbau oder Ölförderung), was aber ein völlig falscher Eindruck wäre. Denn Alphabet erobert mit Brachialgewalt neue, dynamisch wachsende Geschäftsfelder wie die AI-basierte Cloud, das Videogeschäft, das autonome Fahren, baut eigene Plattformen weiter aus, wie z.B. Maps, welches sich zunehmend zu einem Reise-, Freizeit- und Bewertungsportal fortentwickelt, welches gerade junge Leute immer intensiver nutzen, auch mehr und mehr wie ein soziales Medium (und weshalb das ads-Geschäft bei Maps sehr dynamisch wächst), baut das AI-basierte Pharmageschäft bei den bets Calico/Verily, also die Wirkstoffentwicklung mit Partnern (welches natürlich auch das Cloud-Geschäft befeuert) aus etc. Alphabet setzt also seine enorm hohen Margen ein, um noch schneller zu wachsen, um in noch mehr Geschäftsfelder vorzudringen und dort zu dominieren, und um noch mehr zu verdienen.

Jedes einzelne Konzerngeschäft, vor allem das Kerngeschäft Search und die „umliegenden“ virtuellen Plattformen wie Maps oder Android sind nicht kapitalintensiv, haben umgekehrt enorm hohe Skaleneffekte, und zwar sowohl angebotsseitig (Größen- und Verbundvorteile), als auch nachfrageseitig (Netzwerkeffekte). Die daraus entstehenden extrem hohen Margen erlauben es Alphabet, in immer mehr neue Geschäftsfelder vorzudringen und weitere cash cows aufzubauen. Da Alphabet gleich mehrere neue Geschäftsfelder erobert, setzen sie natürlich für eine gewisse Zeit auch mehr Kapital ein.

Das hemmt natürlich kurz- und mittelfristig das Margenwachstum, aber Pichai und Porat betonen, Alphabet gehe es um das langfristig profitable Wachstum, was für uns als Langfristinvestoren ja auch wichtig ist.

Konkret heißt das fürs Berichtsquartal:

Das Ebit steigt berichtet zwar um 20,7% auf 8 Mrd. USD (19,4% operative Marge), aber bereinigt um eine EU-Kartellstrafe im Vorjahresquartal sinkt die operative Marge um 345 bps. Zwar ist das Kostenwachstum bei den TACs (+8,6%) schön gebremst, aber die COGS steigen um 18,2% und der Opex ohne F&E steigt um 23,1%, weil Google massiv in die Inhalte bei Youtube, in den weiteren Ausbau von Vertrieb und Operations bei Cloud investiert und im ganzen Konzern in ihre AI-Produkte/Plattformen investiert, gerade im Kerngeschäft und Cash Cow Search sowie bei Cloud und bei einigen bets.

Dennoch hat Google ohne die bets das Ebit um 1% auf 9,27 Mrd. USD gesteigert (und zwar unter Ausklammerung der EU-Kartellrechtsstrafe im Vorjahr; sprich: der aktuell Wert ist Gaap, der Vorjahreswert ist Non-Gaap). Die bets haben ihren operativen Verlust um 29,1% auf 1,12 Mrd. USD ausgeweitet (vor allem wg. Waymo/autonomes Fahren und Calico/Verily, also AI-basierte Pharma-Wirkstoff-Forschung), der Umsatz der bets dagegen ist um 20,6% auf 135 Mio. USD gefallen (weil sie ihre Fiber-Vermarktung zunehmend einstellen, also die Vermarktung von Glasfaseranschlüssen in urbanen Wohngebieten in den USA).

Der Quartals-Free Cash Flow sinkt deutlich um 26% auf 5,45 Mrd. USD, die Free Cash Flow-Marge erreicht mit 13,2% Free cash Flow (-705 bps) bei weitem nicht die meist üblichen 20% bis 25%. Erstens hat Alphabet, wie erwähnt, den Capex erneut um 29,4% auf 6 Mrd. USD erhöht (14,4% des Umsatzes). Der Haupteffekt des Free Cash Flow-Rückgangs ist jedoch ein zum Bilanzstichtag stark negativer kurzfristiger working capital-Effekt von rd. 3,75 Mrd. USD im Jahresvergleich, vor allem haben sie mehr Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung sowie mehr aufgelaufene andere Cogs-/opex-bedingte Ausgaben bezahlt. Das überzeichnet den Free Cash Flow-Rückgangs natürlich ganz erheblich. Wenn man diesen kurzfristigen Cash-Abfluss-Effekt normalisiert, erreicht die Free Cash Flow-Marge bereinigt rd. 22%, also ein Wert, der im für Alphabet üblichen Bereich liegt; wohlgemerkt trotz deutlich höherer F&E, Capex etc. Das verdeutlicht, wie enorm profitabel Alphabet im „eingeschwungenen“ Zustand ist. Aber aus langfristiger Sicht kann eine hochprofitable Firma wie Alphabet für ein paar Jahre Umsatzwachstum vor Marge stellen, wenn man mit den zusätzlichen Ressourcen so erfolgreich und schnell neue Geschäftsfelder erobert wie Alphabet.

Die Bilanzdaten und die Bewertung:

Das EK steigt trotz höherer Aktienrückkäufe (8,5 Mrd. EUR, also mehr als der Quartals-Free Cash Flow, weil Alphabet die gigantische Cash-Position etwas zurückfahren will) um 1,1% auf 203,66 Mrd. USD (74,5% EK-Quote = +150 bps)

Das net cash beträgt jetzt rd. 74 Mrd. USD inkl. Leasingverpflichtungen (die in der Börsenpresse genannten Zahlen berücksichtigen letzteres mal wieder nicht …)

RoCe (Fiskaljahr erwartet (FYe)):  23,8%,

RoE (FYe):  15,2%

Net Working Capital: -6%, daher der hohe Cash-Abfluss zum Bilanzstichtag.

Enterprise Value: 26,8x Free Cash Flow CF FYe (inkl. des Kurshüpfers am gestrigen Abend nachbörslich)

Fair Value nach DCF:  1.450 – 1.520 USD/Aktie, also nicht günstig bewertet, aber auch nicht teuer für diese Top-Firma unter den wenigen Top-Weltklassefirmen, den wunderbaren Aussichten fürs Geschäft und der beeindruckenden Bilanzqualität.

 

Wie sieht´s eigentlich bei Hermès aus?

Ende März des letzten Jahres hatte ich an dieser Stelle über Hermès geschrieben. Damals stand die Aktie bei rund 430 € und viele Börsenerklärer munkelten, die Aktie sei völlig überteuert und könne nicht weiter steigen. Heute steht die Aktie bei ca. 545 €, also rund 25% höher (zum Vergleich: DAX im selben Zeitraum +-0%). Aber wie ist nun der Stand der Dinge auf Unternehmensebene?

Folgend unsere interne Analyse zu Hermès. Übrigens: Derartige Analysen machen wir zu jedem unserer Portfoliounternehmen und auch deren Mitbewerber einmal im Quartal:

Hermès/Q2 – gewohnt herausragend stark, bottom line mit historischem Rekord für H1 bei sämtlichen Margen, und das über die gesamte Bilanz, ob operative Marge, Free Cash Flow-Marge oder Kapitalverzinsung:

Top line wurde bereits am 20.7. veröffentlicht: operatives Wachstum +11,6% auf 1,46 Mrd. EUR, berichtet +7,2%, FX -4,4% (H1 +11,2% oW auf 2,85 Mrd. EUR, berichtet +5,2%, FX -6%) – der stärkere Euro kostet vor allem ggü. den EM-Währungen weiter viel Umsatz.

⁃ In Q2 und H1 trugen alle Absatzregionen und Produktsegmente zum hohen Wachstum bei (Q2 Europa 8,9%, Amerika 15,9%, Asien 11,6%), ebenso alle Produktbereiche (besonders stark Schmuck und Home mit 25,2% in Q2, auch das mit gut 50% Anteil am Konzernumsatz größte und strategisch wichtigste Geschäft mit Lederwaren mit +8,4% in Q2 bzw. +8% in H1 weiterhin dynamisch, und in Q2 nochmals leicht besser als in Q1).

⁃ Die folgenden bottom line-Daten beziehen sich auf H1 (Hermès berichtet bottom line nicht auf Quartalsbasis): Ebit +11,14% auf 1,037 Mrd. EUR (36,35% oM = +233 bps), bereinigt um den Erlös aus dem Verkauf des früheren Galleria Stores in Hongkong (Hermès ist dort mit dem Store umgezogen) steigt das Ebit um 5,71% auf 984,5 Mio. EUR (34,5% bereinigte oM = +17 bps – das ist eine neue historische Rekordmarge fürs H1). Der Free Cash Flow (FCF) steigt sogar um 18,94% auf 750,3 Mio. EUR (26,29% FCF-Marge = +304 bps), bereinigt um den Verkauf des o. g. Assets legt der FCF um 8% auf 681,3 Mio. EUR zu (23,88% bereinigte FCF-Marge = +63 bps – auch das ist neuer H1-Rekord), CCR 106% (berichtet) bzw. 96,26% (bereinigt). Ggü. dem Vorjahreszeitraum enthält das Cash Flow-Statement zudem negative working capital-Effekte in Höhe von 36,7 Mio. EUR (insbesondere etwas größeres Lager und geringere Verbindlichkeiten aus L+L). Wenn man das berücksichtigt, erreicht der FCF (bereinigt um den Erlös aus dem Verkauf der Hongkong-Gallery) 718 Mio. EUR (=25,16% um wc-Effekte bereinigte FCF-Marge) – dieser Wert zeigt mE am besten an, welche Marge im operativen Geschäft erwirtschaftet wird, und diese Marge ist enorm hoch, Hermès verdient mittlerweile mehr als doppelt so viel wie die besten Peers!

Net Cash 2,59 Mrd. EUR inkl. 207 Mio. EUR Pensionsverpfl. (rd. 1,85x FCF FYe) – damit ist das net cash nochmals merklich höher als im Vorjahr (2,33 Mrd. EUR), obgleich Hermès 2018 wg. einer Sonderdividende 555,6 Mio. EUR höhere Dividenden ausgezahlt hat (2018 kumuliert 957,5 Mio. EUR). EK +4,93% auf 4,79 Mrd., EK-Quote 73,41% (-67 bps wg. mehr zurückgekaufter Aktien). Alleine das kurzfristige Vermögen (4,24 Mrd. EUR) ist rd. 2,45x höher als sämtliche Verbindlichkeiten (1,73 Mrd. EUR), hinzu kommen das langfristige Vermögen (2,29 Mrd. EUR). Das ROCE erreicht 63,5% FYe, das ROE 27%.

Enterprise Value 39,5x FCF FYe (2009 waren es rd. 30x FCF, Hermès hat auch 2009 seinen Umsatz gesteigert und einen höheren FCF erwirtschaftet). Die um negative wc-Effekte bereinigte FCF-Marge von 25,16% ist wirklich grandios! Auch berichtet hatte Hermès in H1 noch nie so hohe Margen wie jetzt, und zwar über die gesamte Bilanz von der operativen Marge über die FCF-Marge bis zum ROCE. Und das immer noch etwas stärkere H2 kommt erst noch. Obwohl Hermés wg. der Sonderdividende dieses Jahr mehr als doppelt so viel Dividende bezahlt hat wie letztes Jahr, hat Hermès ein paar hundert Mio. EUR mehr in der Kasse. Wenn man die negativen wc-Effekte berücksichtigt, liegt das ROCE über 65% – sagenhaft! Und dann diese Bilanz, wirklich atemberaubend – das sehr hohe Eigenkapital, sodann: alleine das kurzfristige Vermögen ist rd. 2,5x höher als sämtliche Konzern-Verbindlichkeiten. Bei Hermès sind nicht nur die Produkte einzigartig, auch die Bilanz ist geradezu phänomenal. Man muss hierbei berücksichtigen, dass Hermés beim working capital wirklich großzügigst sind, das ist das totale Gegenteil von optimiert – gerade das Lager haben sie immer gefüllt mit reichlich und bester Rohlederware (das Lager erreicht über 17% des Umsatzes). Wenn Hermès zB auf dem cnwc-Niveau von LVMH wäre, hätte Hermès in H1 um die 35% (sic) FCF-Marge geschafft, und sie hätten noch ein paar hundert Mio. EUR mehr in der Kasse. Und wenn das cnwc im Bereich der Extrem-Optimierung zB von Colgate oder Church & Dwight wäre, wäre Hermès bei fast 40% FCF-Marge.

⁃ Auch sonstige Bilanzoptimierung kennt Hermès überhaupt nicht. So hat Hermès 207 Mio. EUR an Pensionsverpflichtungen, auf der anderen Seite beträgt das net cash 2,8 Mrd., am Jahresende dürften es um die 3,2 Mrd. net cash sein. Da sollten sie es wie Church & Dwight machen – und die Pensionsverpflichtungen ablösen. Das wäre mal das Mindeste. Außerdem könnten/sollten sie mindestens 2 Mrd. EUR Aktien p. a. zurückkaufen, die aber nicht vernichten, sondern als weitere Kriegskasse in der Bilanz belassen. Dieses Jahr dürfte Hermès bei 1,35-1,45 Mrd. EUR FCF landen, und die Firma zahlt, wenn sie nicht wieder eine Sonderdividende beschließt, um die 450 Mio. EUR für die Dividende. Also könnte Hermès leicht jedes Jahr für eine dreiviertel Milliarde EUR Aktien zurückkaufen (und nicht vernichten), und dennoch wüchse der Cash-Berg weiter. Letztes Jahr hat Hermès lediglich für rd. 190 Mio. EUR Aktien zurückgekauft, in H1 jetzt gut 50 Mio. EUR.

Hermès gehört mit Visa, Mastercard, Apple, Google und Reckitt Benckiser zu den profitabelsten Konzernen auf dem weltweiten Börsenzettel.

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