Visa zeigt ein sehr dynamisches organisches Wachstum von 26% auf 6,13 Mrd. USD, da sich das grenzüberschreitende Geschäft deutlich erholt und das Retail-Geschäft unverändert stark läuft. Insbesondere tap-to-pay/Smartphone-Bezahlung wachsen unverändert schnell, zudem legen neue Geschäftsfelder wie B2B-Payment und Dienstleistungen wie Datenanalyse weiter erheblich zu.
Die Free Cash Flow-Marge im Berichtsquartal erreicht unglaublich hohe 69,1%. In absoluten Zahlen legt der Free Cash Flow um 49,1% auf 4,24 Mrd. USD zu.
Visa hat also gut ein Viertel mehr umgesetzt und verdient fast die Hälfte mehr. Nun ist Visa wegen der geschäftsmodellbedingten extrem hohen Skaleneffekte (vor allem Größenvorteile sowie angebots-/nachfrageseitige Skaleneffekte) bei niedrigem Kapitalbedarf DIE „Cash-Maschine“ auf dem Kurszettel, weshalb man auch gleichzeitig Free Cash Flow-Margen im Bereich 45%/50% bis 60% von Visa gewohnt ist. Aber dass Visa bei höherer Wachstumsrate (langjährig wächst Visa hocheinstellig/niedrig zweistellig) derart viel mehr Cash produziert und derart viel Geld verdient, ist sehr beeindruckend. Und obgleich das – besonders profitable – grenzüberschreitende Geschäft vor allem wegen der coronabedingten Reiseeinschränkungen in den beiden Vorquartalen des Geschäftsjahres, also im Zeitraum September 2020 bis März 2021, merklich gesunken war (in H1 hatte dieses Geschäftsfeld um rd. 15% verloren; der Anteil des grenzüberschreitenden Geschäfts liegt in der Regel bei über 55% des Bezahlvolumens), liegt die Free Cash Flow-Marge auf Sicht von 9 Monaten bei 61,3% und der Free Cash Flow beträgt 9M 10,76 Mrd. USD. Das sind 9M 30,6% mehr bzw. 2,52 Mrd. USD mehr als 9M/2019, also vor den Corona-Lockdowns, und auch 23,6% bzw. 2,06 Mrd. USD mehr als beim bisherigen Rekord 9M/2018. Mit anderen Worten: Visa verdient noch mehr als jemals zuvor, obgleich zwei der drei Quartale des laufenden Geschäftsjahres deutlich weniger Anteil des besonders profitablen grenzüberschreitenden Geschäfts hatten.
Nun zu den wichtigen Details:
Die Top Line:
Das Bezahlvolumen steigt um +34,2% auf 2,72 Billionen USD. Visa wickelt also in einem Quartal z. B. 70% des deutschen BIP eines ganzen Jahres ab. Die Zahl der abgewickelten Transaktionen erhöht sich um +39% auf 42,56 Mrd. (Visa wickelt also pro Sekunde knapp 33 TSD Transaktionen weltweit ab, das Netzwerk ist aktuell auf rd. 65 TSD Transaktionen pro Sekunde ausgelegt, weitere Kapazitätserhöhungen sind nicht kostenintensiv; zum Vergleich: das Bitcoin-Netzwerk schafft 7 Transaktionen pro Sekunde), die Anzahl der grenzüberschreitenden Transaktionen steigt um +47%. Dies liegt aber noch unter dem Niveau des Sommers 2019; so ist der Umsatz aus grenzüberschreitenden Reisen noch 50% unter dem Niveau von Sommer 2019, die gestartete Erholung setzt sich lt. CEO Kelly im Call nach Quartalsende weiter fort. Im 2-Jahres-Vergleich, also die Corona-Verzerrung ausblendend, hat das Bezahlvolumen um rd. 21% und die Zahl abgewickelter Transaktionen um 23% zugelegt. Das organische Umsatzwachstum legt um +26% auf 6,13 Mrd. USD zu (Data Processing +32% auf 3,33 Mrd. USD, Services +17% auf 2,83 Mrd. USD, grenzüberschreitende Transaktionen +54% auf 1,7 Mrd. USD, andere +31% auf 409 Mio. USD, abzüglich der Client Incentives in Höhe von 2,13 Mrd. USD. Die Client Incentives betragen 25,8% des Roh-Umsatzes von 8,26 Mrd. USD. Im Berichtsquartal sind die client inventives lt. CEO Kelly etwas niedriger als erwartet, allerdings nur wegen vereinbarter Auszahlungsfristen nach dem Bilanzstichtag), Kartenzahl +5,7% auf 3,642 Mrd. USD.
Vertriebliche Highlights im Berichtsquartal: Google Pay bietet eine eigene virtuelle Visa-Karte an, zunächst in den USA; die Kooperation mit HSBC in Lateinamerika wurde verlängert, ebenso mit der Banca Sella in Italien, mit DBS Singapur, mit der Qatar National Bank, der Saudi British Bank, mit Hyatt, Williams-Sonoma. Die Zusammenarbeit mit PayPal in Australien, Mercadolibre in Lateinamerika, Banco Itau/Brasilien, auch mit zahlreichen Fintechs wie LinePay in Taiwan und Kakao Pay in Südkorea wird ausgeweitet. LinePay z. B. hat in den letzten 12 Monaten alleine 2 Mio. (meist virtuelle) Visa-Karten vermarktet, Paytm, seit mehreren Jahren Partner in Indien, im selben Zeitraum 6 Mio. virtuelle Visa-Karten. Rappi, eine schnell wachsende Payment App in Lateinamerika mit 70 Mio. Nutzern, vertreibt ab sofort (wohl in der Regel virtuelle) Visa-Karten in Brasilien, Mexiko und mehreren anderen größeren Märkten in Lateinamerika. Auch im Krypto-Bereich weitet Visa seine Kooperationen aus, dieses Mal mit dem Bezahldienstleister Tala für Kunden in Entwicklungsländern ohne Bankkonto sowie mit den beiden Krypto-Börsen FTX und CoinZoom, die Visa-Karten vertreiben. Insgesamt hat Visa jetzt über 50 Krypto-Fintechs (Wallets, Plattformen, Börsen), die bisher rd. 1 Mrd. USD in Bezahlvolumen generiert haben. Also kein hohes Bezahlvolumen, aber mit hohen Wachstumsraten. B2B-Payment wächst ebenfalls unverändert rasant, im Quartal wurde die Kooperation mit der ANZ Bank für Australien/Neuseeland verlängert, Wells Fargo vertreibt Visa B2B in den USA, die OCBC Bank in Singapur vermarktet Visas Commercial Mobile Pay App, die neben einer virtuellen Visa-Karte den Zugang zur Echtzeit-Datenanalyse von Visa bietet, um Geschäftsprozesse der Firmenkunden zu verbessern, etwa den Produktverkauf. Auch Visa Direct, die grenzüberschreitende Echtzeit-Transaktion, wächst lt. Kelly weiter sehr dynamisch mit 500 Mio. mehr Transaktionen im Jahresvergleich. Immer mehr große Banken weltweit nutzen Visa Direct, auch z. B. Dienstleister für die grenzüberschreitende Überweisung von Gehältern. Visa Direct erweitert zudem seine Produktplattform weiter, etwa in der Echtzeitabwicklung von Börsentransaktionen. Fintechs wie GoFundMe und Questrade in Kanada nutzen diese Feature. Im Services-Geschäftsbereich baut Visa das Geschäft mit Payment-Dienstleistungen für Ratenzahlungs-Anbieter aus, Kelly nannte im Call mehrere Neukunden dieses Geschäfts, etwa die Scotiabank in Kanada und mehrere Fintechs. Das Beratungsteam von Visa baut zahlreiche Kunden-Plattformen auf, etwa für digitale Kundenakquisition für Visa-Karten von Banken oder Software, die die Performance von Vertriebsplattformen misst und große Datenmengen analysiert.
M&A:
Nach der kartellrechtlichen Untersagung des Erwerbs von Plaid in den USA hat Visa im Juni den zweiten Versuch gestartet und Tink für 2,2 Mrd. USD erworben (signing), die in Europa eine Plattform betreiben, die Fintechs und Händlern erlaubt, große Datenmengen in Echtzeit zu analysieren und maßgeschneiderte Finanzmanagement-Tools aufzubauen, um besser auf Kundenbedürfnisse zugeschnittene Produkte anbieten zu können. Tink hat mit seiner Programmierschnittstelle in 18 europäischen Märkten Zugang zu 3.400 Banken und 10.000 Payment-Produktentwicklern. Der Deal wird nun von den Kartellbehörden geprüft. Wann Closing ist, kann Visa aktuell nicht sagen. Im Juli, also nach dem Quartals-Bilanzstichtag, wurde Currencycloud für rd. 1 Mrd. USD gekauft. Currenycloud ist ein Bezahldienstleister, der Banken und Fintechs innovative technische Lösungen für grenzüberschreitende Überweisungen in Fremdwährungen anbietet. Der Erwerb steht ebenfalls unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Freigabe.
Q4-Guidance:
Für das laufende Q4 erwartet Visa lt. CFO Prabhu im Call auf der Basis einer Fortsetzung des gut gelaufenen Umsatzes im Juli ein ähnlich hohes Wachstum wie in Q3, erneut getrieben von der weiter fortschreitenden Normalisierung des Reisegeschäfts, außerdem bleiben E-Commerce und Mobile Payment per Smartphone unverändert dynamisch, die Bezahlung per physischer Karte nimmt dank tap-to-pay weiter zu, außerdem wächst B2B sehr schnell.
Die Bottom Line:
Ebit +35,5% auf 4,06 Mrd. USD, operative Marge +430 bps auf 66,3%. Dabei ist der Overhead um -21% auf 204 Mio. USD gesunken und daneben sind alle anderen Kosten deutlich langsamer als der Umsatz gewachsen, alle im Bereich +3% bis +13%, was zeigt, wie äußerst kostengünstig das Netzwerks trotz gerade hoher Aufwendungen für die Netzsicherheit ist. Die Daten zum selbst für Visa beeindruckend hohen Free Cash Flow wurden oben bereits dargelegt, die Cash Conversion Rate beträgt sehr hohe 164,7%.
Die Bilanz:
- Die Nettoschulden inkl. der Pensionsverpflichtungen betragen rd. 5,1 Mrd. USD (ca. 0,35x Free Cash Flow; es werden 1,5 Mrd. USD Pensionsverpflichtungen angenommen. Dies ist der Status quo ante zum Ende von Q4 2019/20, eine aktualisierte Information gibt Visa erst wieder zu Q4 2020/21 im FY-Geschäftsbericht).
- Eigenkapital +4,4% auf 37,79 Mrd. USD (45,7% EK-Quote = +70 bps) trotz weiterer Aktienrückkäufe (9M für 5,66 Mrd. USD, zudem 9M-Dividenden 2,1 Mrd. USD – kumuliert also weniger als der Free Cash Flow von 10,76 Mrd. USD, aus dem Visa neben den Aktienrückkäufen/Dividenden auch die Kaufpreise und Erwerbsnebenkosten für die beiden Zukäufe Tink und Currencycloud in etwa bezahlen kann), denen aber höhere Gewinnrücklagen gegenüberstehen.
- Die Gesamtkapitalverzinsung (RoCe) beträgt sehr hohe rd. 32% FYe.
- Bewertung: Der Enterprise Value beträgt das 36fache des Free Cash Flows FYe bzw. das 31fache FY 2021/22. Visa ist also wie „seit eh’ und je“ hoch bewertet, aber angesichts des strukturell äußerst dynamischen Wachstum und der exzellenten Marktposition als Weltmarktführer im E-Payment, einem der globalen Top-Wachstumstrends, zurecht hoch bewertet. Visa wird sehr gut und umsichtig geführt, Visa hat eine sehr hohe Veränderungsbereitschaft und wegen des dauerhaft niedrigen Kapitalbedarfs eine sehr hohe Veränderungsfähigkeit. Visa ist eine Innovationsmaschine, weshalb die weltmarktführende Position bei neuen Bezahlmethoden von E-Commerce über Echtzeit bis B2B und P2P (z. B. zehn der dreizehn größten mobilen wallets weltweit werden auf der Visa-Plattform betrieben) noch dominanter ist als bei der traditionellen Bezahlung per physischer Kreditkarte. Die Visa-Strategie ist ganz wesentlich eine Netzwerk-/Partnerstrategie, weshalb sie neues Geschäft schnell und kostengünstig auf das Visa-Netzwerk bringen. Und Visa bietet Partnern mehr Vorteile als jeder andere Payment-Dienstleister. Visa verdient mit seiner schieren Größe, den enormen Größen-/Verbundvorteilen und Netzwerkeffekten sehr viel Geld, und jeder neue Umsatz-USD bringt noch höhere Margen. Den Fair Value nach Discounted Cash Flow-Methode sehen wir bei 253 – 263 USD/Aktie. Der Durchschnitt der Analystenkursziele für die kommenden 12 Monate liegt übrigens bei 278 USD und damit merklich höher. Dies scheint uns eine typische Übertreibung zu sein, die häufig dann stattfindet, wenn ein Geschäft besser läuft, als von dieser Zunft erwartet. Umgekehrt werden die Kursziele zu weit nach unten gedrückt, wenn das Geschäft einmal kurzfristig nicht so läuft, wie es die Erwartungen vorgeben.
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