Hermès: Aktie zu teuer?

Eingestanden: Die Aktie ist sehr, sehr gut gelaufen (zu Recht; freut mich) und ja, sie ist „sportlich“ bewertet (auch zu Recht). Aber: Mit den 2016er-Zahlen ist die Aktie jetzt beim Aktienkurs von rd. 432 EUR rd. 4,6% günstiger bewertet als vor einem halben Jahr bei einem Kurs bei 372 EUR mit den damals bekannten Zahlen, weil das net cash um rund 680 Mio. EUR gestiegen ist und der Free Cash Flow (FCF) um und 195 Mio. EUR. Somit betrug der Enterprise Value (EV) damals rd. 39x FCF, jetzt 37,2x FCF, simple Mathematik also. Nimmt man zudem an, dass Hermès den FCF in 2017 „nur“ um 11% steigert, also halb so stark wie 2016, beträgt das Forward FCF-Multiple rund 33x.

Profitabilität nochmals gesteigert

Hinzu kommt mit strategischem Blick auf das Geschäft, dass die Gewinnqualität nochmals enorm zugelegt hat: Die FCF-Marge ist von 19,5% auf 22,2% gestiegen(!!), das eh schon hohe Eigenkapital ist um weitere 17% gestiegen, die EK-Quote wohl nochmals um rd. 200 bps auf rd. 73% (Bilanz wird erst im April vorgelegt). Zudem erreicht Hermès eine nahezu unfassbare Verzinsung des eingesetzten Kapitals (ROCE) von 56,6% – all das, obwohl gerade in H1 noch eine zum Teil schwierige Nachfragesituation herrschte (die Mitbewerber LVMH, Richemont etc. gaben damals noch ab, erholten sich erst in H2). Hermès hat wie 2009 und in der ebenfalls schwierigeren Zeit seit 2014/15 weitaus robuster abgeschnitten, andere Luxus-Modemarken hatten Nachfragerückgänge in der Zeit. Zudem sollte Hermès -bei ab Sommer sich wieder belebender Nachfrage- überdurchschnittlich zulegen.

Extreme Kapitaleffizienz

Und, damit klarer wird, was das das extrem hohe ROCE von 56,6% heißt: Sie setzen mit 2 Mrd. EUR rd. 200 Mio. weniger Kapital ein als im Vorjahr, erwirtschaften mit weniger Kapital aber rd. 200 Mio. mehr freies Geld – bzw. mit nur 2 Mrd. Kapital produzieren sie 1,15 Mrd. FCF. Das ist gigantisch gut. Das zeigt auch der Vergleich mit dem HDax: der Durchschnitt der dort gelisteten Firmen würde für 1,15 Mrd. FCF rd. 23 Mrd. eingesetztes Kapital benötigen (da durchschn. 5% FCF-Marge), also 11,5x mehr als Hermès!! Und gut verdienende Peers wie LVMH und Richemont benötigen doppelt bis fünfmal so viel Kapital wie Hermès, um 1,15 Mrd. FCF zu generieren.

Was macht Hermès eigentlich so erfolgreich?

Hermès gelingt es mit seiner einzigartigen starken Marke seit vielen Jahren, im obersten Luxussegment eine stetig hohe Nachfrage zu erzeugen. Hermés hält dabei die Ware knapp, über den Preis lässt Hermés nicht mit sich reden. Ein Erfolgsgarant ist die kompromisslose und maximale Qualität, die auch so den Kunden kommuniziert wird. Nur die wirklich besten Rohstoffe werden verwendet. Alles, was nicht den höchsten Ansprüchen genügt, wird an die anderen Luxusmarken weiterverkauft. Zur maximalen Qualität hinzu kommen die Zeitlosigkeit der Produkte sowie die hohe Exklusivität der Marke; die Konsumenten werden „süchtig“ gemacht und nehmen so auch lange Wartezeiten und/oder weite Reisen auf sich, um das gewünschte Produkt erhalten zu können. Vom zu zahlenden Preis ganz zu schweigen. Die Mischung aus Zeitlosigkeit, Exklusivität und maximaler Qualität macht den Erfolg von Hermés im Vergleich zu den (gut verdienenden Mitbewerbern) aus.

Teuer ist relativ

Investoren sollten sich von einem vermeintlich teuren Bewertungsniveau nicht in die Irre treiben lassen. Schon gar nicht vom KGV, das bei Hermès mit ca. 35 sehr hoch ist. Denn bei der Betrachtung des KGV sollte man grundsätzlich sehr häufig Vorsicht walten lassen. Zum einen ist die Betrachtung des KGV deshalb häufig stark irreführend, weil das KGV u.a. auf dem Nettoergebnis aufbaut, das jedoch in Zeiten von IFRS/US-GAAP häufig verzerrt ist. Zum anderen berücksichtigt das KGV keine Aktienrückkäufe und bezieht zudem keine Schulden und Pensionen etc. ein. Ganz wesentliche Faktoren zur Bewertung eines Unternehmens fehlen also bei der KGV-Betrachtung.

Fazit

Vor dem Hintergrund des einzigartigen robusten, dynamischen und extrem profitablen Geschäftsmodells von Hermès ist es völlig gerechtfertigt, dass die Aktie hoch bewertet ist – und „hoch“ ist zudem relativ, wenn man bedenkt, dass Daimler, die kaum was verdienen, 2016 rd. 10 Mrd. EUR verbrannt haben und überdies hoch verschuldet sind, mit über 50x FCF bewertet ist.

Die ausführliche Analyse zum Umsatzbericht kann per Email angefordert werden.

Disclaimer

RWE: Das Desaster geht weiter

Das Desaster bei RWE nimmt kein Ende. Der Umsatz von RWE sinkt unaufhaltsam weiter, diesmal um 5%. Mit rund 330 Mio. EUR Free Cash Flow (FCF) bleibt unterm Strich mittlerweile fast nichts mehr übrig (Marge unter 1%)!!! Das, was an Cash noch übrig ist und sogar noch ein wenig mehr, wird für die stark gekürzten Dividenden ausgegeben (407 Mio.). Das ist aber schon egal. Denn der extrem mickrige FCF ist im Vergleich zu den gigantischen Schulden ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Der Konzern hat Nettofinanzschulden von 22,7 Mrd. EUR, Pensionsverpflichtungen in Höhe von 6,8 Mrd. EUR, Verpflichtungen aus dem Rückbau der Kernkraftwerke (12,7 Mrd. EUR) und Verpflichtungen im Bergbau (2,3 Mrd. EUR). Das macht unterm Strich insgesamt 44,5 Mrd. EUR wirtschaftliche Schulden. Denen steht der Marktwert der Innogy-Aktien in Höhe von gut 15 Mrd. EUR gegenüber (der aktuelle Kursanstieg ist impliziert), zudem Sachanlagen in Höhe von 24,5 Mrd. EUR.

Was sind die Sachanlagen wirklich wert?

24,5 Milliarden Euro an Sachanlagen? Man sollte an dieser Stelle erwähnen, dass mehr als 90% davon konventionelle Kraftwerke sind, von denen der Großteil inzwischen Verluste einfährt. Ob da tatsächlich ein Buchwert von 24,5 Mrd. angemessen ist, ist höchst zweifelhaft. Denn ein Käufer müsste ja auch den Rückbau von Kohle- und Gaskraftwerken bezahlen, das würde er beim Kaufpreis abziehen. Das ist umso bedrohlicher, als dass das Eigenkapital (EK) nur 8 Mrd. EUR beträgt, das sind 10,5% EK-Quote.

RWE ist überschuldet

Meines Erachtens ist RWE daher inzwischen total überschuldet. Die Aktie ist eine der teuersten auf dem Kurszettel.  Denn selbst wenn man von den Schulden die Innogy-Beteiligung und 50% des Buchwerts des Anlagevermögens abzieht, ergibt sich ein Enterprise Value (EV) von knapp 80x FCF!

Dass die Aktie auch wegen der M&A-Gerüchte um Innogy heute sehr stark zulegt, kann ich mir ökonomisch und mathematisch nicht erklären. Denn der Innogy-Anteil ist mit dem aktuellen Kursanstieg der Innogy-Aktie gut 15 Mrd. EUR Wert, und selbst, wenn man die bilanzierten Buchwerte des Anlagevermögens von 24,5 Mrd. EUR als valide annimmt (was, wie oben erläutert, sehr, sehr unwahrscheinlich ist), sind die Gesamtschulden um knapp 5 Mrd. höher als der Marktwert des Innogy-Anteils und des gesamten Anlagevermögens.

Wenn man dann noch berücksichtigt, dass RWE nur noch mickrige 330 Mio. EUR Cash produziert (bzw. FCF-Marge <1%!), das aber zur Schuldentilgung gar nicht zur Verfügung steht, bedeutet allein die Marktkapitalisierung von RWE in Höhe von aktuell rund. 9 Mrd. EUR eine Bewertung von 27x FCF. Aufgrund des Desasters beim FCF – der nicht ansatzweise ausreicht, um die Schulden zu bedienen –, der extrem hohen Verschuldung im Allgemeinen und den schlechten Geschäftsaussichten für das konventionelle Kraftwerkgeschäft wäre die Aktie mit 3-5X FCF sehr generös bewertet. Wenn man dies (rund 1 Mrd. EUR) noch mit den Nettoschulden ins Verhältnis setzt, ergibt sich ein angemessener Kurs für die Aktie, den ich mich an dieser Stelle nicht niederzuschreiben traue…

Disclaimer

Peter Terium: „Innogy ist ein Dividendenwert mit Wachstumspotential“ – Stimmt das?

„Mit 1,6 € je Aktie wollen wir rund 80 Prozent des bereinigten Nettoergebnisses an unsere Investoren ausschütten“, so Konzernchef Peter Terium heute in Essen. Innogy sei „ein Dividendenwert mit Wachstumspotential“, so Terium.

Zu Innogy: Bekanntlich hat RWE die Geschäfte mit Wind/Solar und mit den (kundennahen) Verteilnetzen abgespalten, weil man hofft, dass Innogy anders als das Desaster-„Geschäft“ mit konventioneller Stromerzeugung, das zunehmend in die roten Zahlen rutscht, dauerhaft wächst und Geld verdient.

Da Innogy heute FY 2016 publiziert hat, kann man diese Investmentthese prüfen. Also:

  1. Der Umsatz von Innogy verliert FY 4,4% (41,6 Mrd. EUR). Nun mag das eine Momentaufnahme kurz nach der Abspaltung sein, die die Firma stark beschäftigt und das Management auch vom Geschäft abgelenkt haben sollte. Nur: Es wird aus zwei Gründen eher schwieriger für Innogy mit Solar/Wind dauerhaft mehr zu verdienen: Erstens sind die effizientesten Standorte vergeben. Diese muss man mit hohem Kapitaleinsatz kaufen und die Effizienz mit nochmaligem Kapitaleinsatz weiter erhöhen (z.B. durch größere Windräder bzw. effizientere Solar-Panels). Das kostet enorm viel Geld, auch wenn die Produktionskosten der Erneuerbaren Energien tendenziell sinken. Zweitens sinken zugleich die Subventionen in Europa und in den USA. Was sinkt in schnellerem Tempo? Selbst wenn die Produktivität schneller zulegt als die Subventionen zurückgehen – es bleibt der steigende Kapitaleinsatz (s. o.).
  2. Mithin müsste Innogy unbedingt gut verdienen, um hohe Kapitalanforderungen stemmen zu können. Aber Innogy schafft nur mickrige 2,33% Free Cash Flow-Marge (967 Mio. EUR), der CCR erreicht bescheidene 63,9%.
  3. Aber Innogy könnte den höheren Kapitalaufwand für größere Anlagen und für Zukäufe mit Krediten finanzieren, oder? Das dürfte sehr, sehr schwierig sein, denn Innogy ist schon heute bis unters Dach verschuldet: Die Nettofinanzschulden betragen 15,75 Mrd. EUR, hinzu kommen Pensionsverpflichtungen von 3,9 Mrd. EUR. Ergo beträgt die Nettoverschuldung extrem hohe 20,3x Free Cash Flow (ROCE1 sehr mickrige 3,4%). Da dürfte der Fremdkapitalmarkt wohl nur sehr geringe Bereitschaft zeigen, frisches Geld zu geben. Zumal Innogy fast den gesamten Free Cash Flow (FCF) für eine völlig überhöhte Dividende verausgabt (rd. 900 Mio. Dividende), weshalb der FCF für höhere Zinszahlungen aus neuer Fremdfinanzierung gar nicht zur Verfügung steht.
  4. Also ist es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis die Innogy-Aktionäre eine Kapitalerhöhung vor der Brust haben, entweder frisches equity in ihr Investment pumpen oder dilutieren – und es ist sehr wahrscheinlich, dass die Kapitalerhöhung deutlich höher ausfällt als der Ertrag der Aktionäre aus der Dividende, denn 900 Mio. frisches equity bringt Innogy nicht wirklich weiter … Außerdem ist die EK-Quote heute mit rd. 19% (8,93 Mrd. EUR) ohnehin recht dürftig, da ist ein „größerer Schluck aus der Pulle“ per nennenswerter Kapitalerhöhung eh‘ angebracht. Wenn die FCF-Marge erheblich höher wäre, wäre das nicht nötig, dann könnte der Fremdfinanzierungsanteil sogar noch problemlos sinken, denn ein hoher FCF würde dann Zinskosten/Tilgung finanzieren. Aber eine merklich höhere FCF-Marge ist nicht erkennbar!

Bei diesen sehr dürftigen Ertragszahlen und dem eher schwerer zu beherrschbaren Umfeld in den nächsten Jahren sollten Innogy-Aktionäre einmal von Essen aus ihren Blick nach dem nahen Düsseldorf richten. Da sitzt Henkel. Die verdienen mit schnöden Waschmitteln, Klebstoffen und Haarfärbemitteln fast 2,5x (2,25 Mrd. EUR FCF = 11,8% FCF-Marge, CCR 107%) mehr als Innogy, setzen dafür aber nur gut die Hälfte des Kapitals (rd. 17 Mrd. EUR, ROCE 12%) von Innogy ein, und zudem legt Henkel bottom line zweistellig pro Jahr zu. Dennoch ist die Aktie von Henkel mit rd. 22,8x FCF ca. 42% günstiger bewertet als Innogy mit extrem überteuerten 39,3x FCF.

Und die Party um die attraktive Dividende wird meines Erachtens nicht allzu lange währen, sondern stattdessen in einen stattlichen Kater münden.

Disclaimer

Was mich an Bankanalysten häufig stört: Kapitaleffizienz die Zweite

Gestern hatte ich an dieser Stelle darauf hingewiesen, wie wichtig die Kapitaleffizienz bei/für Unternehmen ist und dies an einem kurzen Vergleich zwischen der Deutsche Telekom und Colgate-Palmolive verdeutlicht.

Im Folgenden nun noch eine paar weitere Beispiele zum Thema bzw. zum prinzipiellen ökonomischen Fundament von Marge und Kapitaleffizienz: Meist schauen Bankanalysten auf COGS, SG&A und Zinskosten, wenn man sich ansieht, ob die Marge steigen kann/gestiegen ist; zudem auf Absatzvolumen, Preis und Mix, also auf die GuV. Das ist ok und wichtig, denn das sind allerhand Stellschrauben, um als Unternehmen mehr zu verdienen. Aber als Unternehmer schaut man ebenso darauf, möglichst wenig Kapital einsetzen zu müssen, also schaut man auf das working capital. Man versucht, Lager/Umschlag zu verbessern, Zahlungsziele zu optimieren etc.; und man versucht, möglichst wenig recurring capex zu haben. Aber net working capital (nwc) und recurring capex als Quelle zur Margenerhöhung werden von vielen Bankanalysten bei der Betrachtung der Zahlen von börsennotierten Firmen kaum beachtet. Ich merke das immer wieder: Wenn man z.B. Ebit-Margen darlegt, dann werden diese lebhaft diskutiert, aber wenn man nwc und recurring capex sowie ROCE darlegt, kommentiert das fast keiner. Das erkläre ich mir mit der weit verbreiteten „GuV-Beschränktheit“.

Wenn man sich dann lange Zeitreihen von Firmenzahlen anschaut, dann kommt bei den gut verdienenden Firmen die Hälfte bis drei Viertel der Margenerhöhung aus der GuV (Umsatzwachstum über Absatz und oder Preis/Mix, Effizienz/Größeneffekte Cogs und SG&A, Zinskosten), aber ein Viertel bis zur Hälfte aus mehr Kapitaleffizienz, also geringeres/langsamer als Umsatz wachsendes nwc, recurring capex und geringerer/unterdurchschnittlich zum Umsatzwachstum steigender Kapitalbedarf.

Die GuV-Effekte schauen sich alle an, die Kapitaleffekte kaum einer.

So wird bei Analysten lebhaft diskutiert, ob es z.B. Henkel gelingt, nach dem starken Anstieg der Ebit-Marge in den letzten Jahren nun noch höhere Ebit-Margen zu schaffen. Meines Erachtens geht da jedes Jahr ein bisschen mehr, allein wegen der Skaleneffekte durch das Wachstum, mal ist das „Mehr“ etwas größer, mal ist es etwas kleiner, je nachdem, ob man Rohstoffe teurer oder günstiger bezieht, ob Löhne, Marketing mehr oder weniger steigen, ob die Zinsen hoch oder niedrig sind, ob man einen besseren Mix schafft, Preise stärker oder nur leicht erhöhen kann, Volumina stark/mäßig sind etc. etc. ABER: Henkel schafft es seit langem jedes Jahr, das nwc im Verhältnis zum Umsatz zu senken, mal um 100 Mio. p. a., mal um 300 Mio. p. a.. Wenn es z.B. 200 Mio. p. a. sind, bedeutet allein das knapp 9% Free Cash Flow-Wachstum p. a. (bezogen auf den Free Cash Flow 2016 von 2,25 Mrd.), ohne dass die Ebit-Marge steigen muss. Das betrachten die Analysten nicht, auch sehr viele Fondsmanager, die Henkel kennen, haben das nicht auf dem Radarschirm.

UND: Z.B. Colgate oder Church & Dwight schaffen es seit Jahren, den recurring capex stabil zu halten, obwohl der Umsatz wächst. Colgate z.B. hat 2006 knapp 600 Mio. investiert und 2016 auch knapp 600 Mio.. Warum? Sie achten darauf, dass sich ihr Produktmix hin zu weniger investitionsintensiven Produkten entwickelt, außerdem generieren sie größere Produktionskapazitäten, die man wegen steigendem Umsatz braucht, auch Skaleneffekte beim Einkauf/bei Errichtung der Kapazität/im laufenden Produktionsbetrieb. Das hat dann auf Dauer enorme Auswirkungen auf den Free Cash Flow (FCF): 2006 hatte Colgate 1,9 Mrd. CF, abzgl. knapp 600 Mio. Capex erreichte der FCF rd. 1,3 Mrd. (bei damals rd. 12,3 Mrd. Umsatz, also 4,9% Capex-Quote). 2016 hatte Colgate knapp 3,2 Mrd. CF und immer noch knapp 600 Mio. Capex, also mit 2,6 Mrd. eine Verdoppelung des FCF (bei rd. 15,5 Mrd. Umsatz, also 3,9% Capex-Quote). Wäre der Capex mit dem Umsatz gestiegen, wäre der FCF 2016 rd. 150 Mio. geringer gewesen, also rd. 6% niedriger. Zugleich hat sich das nwc von rd. 5% des Umsatzes in 2006 auf 2,2% in 2016 verringert (absolut von 615 Mio. auf rd. 340 Mio., also mehr als halbiert, obgleich der Umsatz um 26% gestiegen ist). Hätte sich das nwc dagegen wie der Umsatz entwickelt (= statt 330 Mio. nwc 775 Mio. nwc), wäre der CF um rd. 445 Mio. USD geringer gewesen, also um rd. 14%. Kumuliert hätten gleichbleibendes nwc u. capex 2016 zu einem FCF in Höhe von rd. 2 Mrd. geführt, tatsächlich hat Colgate 2016 2,6 Mrd. FCF geschafft, also 30% mehr wegen höherer Kapitaleffizienz!! 70% der FCF-Steigerung kamen von der GuV.

nwc, recurring capex und ROCE, also Kapitaleffizienz, sind ganz eindeutig sehr wichtig für die FCF-Marge. Dennoch sind nahezu alle Analysten ausschließlich in ihrer GuV-bezogenen Margendenke gefangen.

Der ROCE ist auch ein Punkt, der von vielen zwar zur Kenntnis genommen wird, aber kaum jemand gewichtet das in der Unternehmensbewertung. Dabei macht es doch einen gewaltigen Unterschied, ob z.B. Colgate heute mit fast 30% WENIGER eingesetztem Kapital einen doppelt so hohen FCF schafft wie vor zehn Jahren und ob Daimler heute 30% MEHR Kapital einsetzen muss, damit aber 25% geringeren FCF schafft!

Bei Zahnpasta führen Skaleneffekte und Mix nun einfach dazu, dass immer mehr rauskommt, obwohl der Input sinkt, während der extrem hohe und steigende F&E-Bedarf und der riesige Capex bei Autos und LKW von den Kunden nicht über entsprechend höhere Preise honoriert wird.

Ein anderes, beeindruckendes Beispiel für Kapitaleffizienz: Church & Dwight (Hersteller von wunderschön langweiligen Produkten im Bereich Haushaltswaren und Körperpflege in den USA; bei deutschen Börsianern weitestgehend unbekannt):

Die „lange Linie“ von Church & Dwight (CHD) ist (a) sehr beeindruckend und (b) zeigen die Zahlen, dass Kapitaleffizienz sogar mehr für die Margen bringen kann als eine bessere top/bottom line-GuV (10-Jahres-Vgl. 2007 und 2016):

  1. Der Umsatz ist um gut die Hälfte auf 3,5 Mrd. USD gewachsen (+57,7%), also die stets eher durchschnittlichen, aber stetigen Wachstumsraten von 3-5% bei consumer staples (fast nie weniger, selten mehr).
  2. Der FCF hat sich dagegen verdreifacht, die FCF-Marge ist kontinuierlich um 820 bps auf 17,2% gestiegen – fast jedes Jahr ein bisschen besser als im Vorjahr, schon immer gut verdienend (9% FCF-Marge war damals schon sehr gut und mit-führend in der Peers Group) und jetzt ebenfalls mit vorne dabei nach Reckitt Benckiser und mit Colgate-Palmolive.
  3. Woher stammt der Margenzuwachs? 69,4% aus höherer Kapitaleffizienz und 30,6% aus der GuV. Konkret: 2007 betrug das nwc 7,9% vom Umsatz (175 Mio. USD), 2016 dagegen nur noch 0,36% vom Umsatz (extremer Spitzenwert in allen Peer Groups), also rd. 13 Mio. USD, obwohl der Umsatz über 50% höher liegt. Betrüge das nwc heute noch 7,9%, wären es 277 Mio. EUR, also 264 Mio. Effizienzfortschritt beim nwc. Der Capex lag 2007 bei 49 Mio. USD = 2,2% des Umsatzes, 2016 bei 49,8 Mio. USD, wobei CHD 2016 von höherem Capex für neue Produktionsstätten aus den Vorjahren profitiert hat, normalisiert man den Capex (Durchschnittswert über die letzten 5 Jahre), beträgt der normalisierte Capex 2016 rd. 60 Mio. USD = 1,7% vom Umsatz, also rd. 50 bps weniger als 2007 (Gründe: Skaleneffekte neuer Produktionsanlagen, Produktportfolio heute erfordert geringeren recurring capex als vor zehn Jahren); läge die Capex-Quote heute wie vor zehn Jahren bei 2,2%, hätte der normalisierte Capex 2016 bei 77 Mio. gelegen, also 2016 ggü. 2007 rd. 17 Mio. Effizienzvorteile beim Capex. Zusammen ergeben die Effizienzvorteile bei nwc (264 Mio.) und normalisiertem recurring capex (17 Mio.) 281 Mio. effizienterer Kapitaleinsatz.
  4. Da der FCF von 2007 um 405 Mio. USD von 200 Mio. auf 605 Mio. USD gestiegen ist, stammen von den 405 Mio. höherem FCF 69,4% (281 Mio.) aus höherer Kapitaleffizienz und 30,6% (124 Mio.) aus der GuV, also aus Kostensenkungen bei COGS und SG&A sowie aus Umsatzwachstum (Absatzvolumen, Preiserhöhung, Verbesserung Produktmix). Wenn man sich die Quellen der 124 Mio. anschaut, so stammt der Großteil aus effizienterer COGS und aus höherem Absatzvolumen – das überrascht nicht, denn CHD ist mit seinen Produkten idR im mittleren Preissegment, da sind Preiserhöhungen schwieriger als z.B. bei Henkel mit seinen vielen Premiumprodukten; aber effizientere COGS zeigen, dass CHD, obgleich ein kleiner Anbieter, inzwischen viel mehr Skaleneffekte generiert als vor zehn Jahren. Und bzgl. Skaleneffekten wird CHD jedes Jahr besser.
  5. CHD ist also ähnlich wie die anderen Top-Peers extrem effizient, wobei sie z.B. anders als Colgate-Palmolive, die ihre Margen stärker über die GuV erhöhen (mehr Preissetzungsmacht, höhere Skaleneffekte, da wesentlich größer) den Großteil des Margenzuwachses über höhere Kapitaleffizienz schafft. CHD ist daher eine extreme „Effizienzmaschine“. Das zeigt auch der Kapitaleinsatz: im Vgl. zu 2007 hat CHD nur 46,5% mehr Kapital (1,98 Mrd. EK und 880 Mio. net debt) eingesetzt, während der Umsatz 2016 knapp 58% höher war als zehn Jahre zuvor. Nur Colgate-Palmolive ist hinsichtlich der Kapitalverzinsung nochmals deutlich besser als die im Peer Group-Vgl. eine sehr hohe Kapitalverzinsung generierende CHD (ROCE rd. 50% vs. 20,8%), CHD ist trotz geringerer Skaleneffekte als die größere Reckitt Benckiser (die auch wg. mehr Premium-Produkten zudem einen besseren Preismix haben als CHD) beim ROCE sogar leicht besser als Reckitt Benckiser (20,1%).

Jedenfalls zeigen die Zahlen deutlich, dass es viel zu kurz gesprungen ist, wenn man höheres Margenpotential nur aus der GuV ableitet. Immer höhere Kapitaleffizienz kann, wie z.B. bei Church & Dwight, langfristig die Margen ganz erheblich pushen.

Disclaimer

Warum Kapitaleffizienz sich auszahlt: Deutsche Telekom vs. Colgate-Palmolive

Am 2.3. hat die Deutsche Telekom ihre Zahlen für das Geschäftsjahr 2016 bekanntgegeben. Wie erwartet, „brummt“ das Geschäft. Die Deutsche Telekom berichtet von einem „Free Cash Flow (FCF) von 4,9 Mrd. €“. Dass davon nach Spektrumskauf nur 2,25 Mrd. EUR übrig bleiben, erfährt man erst bei Lektüre des Geschäftsberichts. Immerhin schafft die Telekom 3% FCF-Marge nach 1% Marge im Vorjahr. Dies hat die Telekom allerdings nicht wirklich weiter gebracht, denn die sehr hohen Nettoschulden steigen um weitere 3 Mrd. EUR auf rd. 83 Mrd. EUR, weil der Free Cash Flow nicht ausreicht, um Dividenden, den sehr hohen Kapitalbedarf der unprofitablen US-Tochter für weitere Spektrumskäufe und für die Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen abzudecken. Somit gibt die Telekom unverändert weit mehr aus als sie einnimmt. Aber damit steht die Telekom im Dax nicht alleine. Unternehmen wie ThyssenKrupp, Deutsche Bank, Commerzbank, Daimler, Deutsche Post und Deutsche Lufthansa reihen sich in die Riege ein.

Ein in der Börsenpresse und bei Analysten sehr häufig gänzlich unbeachtetes, aber meines Erachtens sehr wichtiges Thema, ist die Kapitaleffizienz von Unternehmen.

Beispiel Kapitaleffizienz der Deutschen Telekom: Sie setzen 112 Mrd. € Kapital ein, um 2,25 Mrd. FCF zu erwirtschaften, mithin 2% ROCE1. Die Telekom hat ihrer US-Tochter jedoch weitere rd. 3 Mrd. für weitere Spektrumskäufe geliehen, wirtschaftlich ist der FCF also negativ, und das alles bei 112 Mrd. Kapitaleinsatz. Nicht schön.

Zudem benötigt die Deutsche Telekom rd. 19 Mrd. net working capital (nwc) plus rd. 13,2 Mrd. Capex, um 73 Mrd. Umsatz zu erzielen. Auch nicht schön.

Hier einmal zur Verdeutlichung ein Vergleich zwischen Colgate-Palmolive (Hersteller von wunderschön langweiliger Zahnpasta; Weltmarktanteil von ca. 45%) und der Deutschen Telekom (natürlich vergleiche ich zwei Unternehmen völlig unterschiedlicher Branchen, aber zum Glück schreibt mir ja niemand vor, in welche Branchen und in welche Unternehmen ich zu investieren habe):

Vergleich Colgate und Deutsche Telekom:

Enterprise Value (x FCF): 26 vs. 71 (!!)

– FCF-Marge: 17% vs. 3%2 (!!)

– ROCE: 52% vs. 2% (!!)

– Net working Capital (nwc) im Verhältnis zum Umsatz: 2,2% vs. 26% (!)

– recurring capex im Verhältnis zum Umsatz: 3,8% vs. 18,2% (!)

Anders formuliert: Die Deutsche Telekom setzt rd. 23x mehr Kapital ein als Colgate, die Telekom erwirtschaftet damit aber 14% weniger FCF als Colgate, die Telekom muss dafür aber 22x mehr investieren als Colgate, und die Deutsche Telekom benötigt rd. 46x höheres nwc als Colgate.

Hier die „lange Sicht“ (2006 vs. 2016), die meines Erachtens noch interessanter ist:

– Colgate hat den FCF verdoppelt (!), dennoch ist der Kapitaleinsatz um ca. 30% gesunken. Extreme Effizienz!

– Die Deutsche Telekom hat heute einen um 50% geringeren FCF, muss aber rd. 25% mehr Kapital einsetzen.

Ergo:

  1. Bei dieser beeindruckenden Dynamik und Effizienz von Colgate wundert nicht, dass die Colgate-Aktie in den letzten 10 Jahren eine Kursperformance von ca. 120% (in USD; ca. 175% in EUR) aufweist (plus rd. 2% Dividende p.a.) – und dennoch ist die Colgate-Aktie jetzt rd. 25% günstiger bewertet als vor 10 Jahren.
  2. Genauso wenig überrascht, dass die Telekom-Aktie ein vergleichsweise dürftigstes Langfrist-Investment ist mit knapp 30% Kursanstieg im gesamten Zeitraum von zehn Jahren (plus rd. 3,5% Dividende p.a.).

    Quelle: UBS Quotes vom 06.03.2017

Klar: Langfristig spiegelt sich ein hochprofitables und wachsendes Geschäft im Unternehmenswert wider.

 1 ROCE (Return on capital employed):

Beim ROCE setzen wir statt des Nettoergebnisses den Free Cash Flow (FCF) in den Zähler (oder zur Ermittlung der operativen Stärke den FCF plus Abschreibungen). Zwar weichen wir damit von der BWL ab, aber das Nettoergebnis ist uns bei IFRS/GAAP mittlerweile oft zu weit manipulierbar. Im Nenner nehmen wir das Eigenkapital plus Nettofinanzschulden bzw. abzgl. Nettofinanzposition plus sämtliche langfristige Rückstellungen wie Pensions- und Leasingverpflichtungen.

Begründung: GuV durch IFRS/Gaap oft verzerrt, zudem oft Cash Conversion Rate < 1, daher stellt das Nettoergebnis nicht die tatsächlichen „owner earnings“ dar, der FCF ist besser geeignet; Erfassung sämtlicher langfristiger Zahlungsverpflichtungen, nicht nur der Nettoschulden.

Das von uns ausgewiesene ROCE weicht alleine deshalb von der „Banken-Denke“ ab, weil wir im Nenner auch alle langfristigen Zahlungsverpflichtungen berücksichtigen; das gilt bei uns ebenso für die Enterprise-Value (EV-)-Betrachtung, weshalb die EV bei uns fast immer höher sind als üblicherweise genannt.

Wir legen Wert auf eine valide und konservative Struktur der eigenen Kennzahlen, um eine realistischere Information über die Kapitalverzinsung ohne jegliches „Schönrechnen“ zu erhalten.

 2Anmerkung zum FCF der Telekom: Hier ist der Kredit von rd. 3 Mrd. für die US-Tochter nicht berücksichtigt; bezieht man diesen CF aus Finanzierungstätigkeit (das ist der „Trick“, um einen positiven FCF zu zeigen) ein, ist die FCF-Marge (tief-)rot (-0,75 Mrd. FCF).

Disclaimer