Peter Terium: „Innogy ist ein Dividendenwert mit Wachstumspotential“ – Stimmt das?

„Mit 1,6 € je Aktie wollen wir rund 80 Prozent des bereinigten Nettoergebnisses an unsere Investoren ausschütten“, so Konzernchef Peter Terium heute in Essen. Innogy sei „ein Dividendenwert mit Wachstumspotential“, so Terium.

Zu Innogy: Bekanntlich hat RWE die Geschäfte mit Wind/Solar und mit den (kundennahen) Verteilnetzen abgespalten, weil man hofft, dass Innogy anders als das Desaster-„Geschäft“ mit konventioneller Stromerzeugung, das zunehmend in die roten Zahlen rutscht, dauerhaft wächst und Geld verdient.

Da Innogy heute FY 2016 publiziert hat, kann man diese Investmentthese prüfen. Also:

  1. Der Umsatz von Innogy verliert FY 4,4% (41,6 Mrd. EUR). Nun mag das eine Momentaufnahme kurz nach der Abspaltung sein, die die Firma stark beschäftigt und das Management auch vom Geschäft abgelenkt haben sollte. Nur: Es wird aus zwei Gründen eher schwieriger für Innogy mit Solar/Wind dauerhaft mehr zu verdienen: Erstens sind die effizientesten Standorte vergeben. Diese muss man mit hohem Kapitaleinsatz kaufen und die Effizienz mit nochmaligem Kapitaleinsatz weiter erhöhen (z.B. durch größere Windräder bzw. effizientere Solar-Panels). Das kostet enorm viel Geld, auch wenn die Produktionskosten der Erneuerbaren Energien tendenziell sinken. Zweitens sinken zugleich die Subventionen in Europa und in den USA. Was sinkt in schnellerem Tempo? Selbst wenn die Produktivität schneller zulegt als die Subventionen zurückgehen – es bleibt der steigende Kapitaleinsatz (s. o.).
  2. Mithin müsste Innogy unbedingt gut verdienen, um hohe Kapitalanforderungen stemmen zu können. Aber Innogy schafft nur mickrige 2,33% Free Cash Flow-Marge (967 Mio. EUR), der CCR erreicht bescheidene 63,9%.
  3. Aber Innogy könnte den höheren Kapitalaufwand für größere Anlagen und für Zukäufe mit Krediten finanzieren, oder? Das dürfte sehr, sehr schwierig sein, denn Innogy ist schon heute bis unters Dach verschuldet: Die Nettofinanzschulden betragen 15,75 Mrd. EUR, hinzu kommen Pensionsverpflichtungen von 3,9 Mrd. EUR. Ergo beträgt die Nettoverschuldung extrem hohe 20,3x Free Cash Flow (ROCE1 sehr mickrige 3,4%). Da dürfte der Fremdkapitalmarkt wohl nur sehr geringe Bereitschaft zeigen, frisches Geld zu geben. Zumal Innogy fast den gesamten Free Cash Flow (FCF) für eine völlig überhöhte Dividende verausgabt (rd. 900 Mio. Dividende), weshalb der FCF für höhere Zinszahlungen aus neuer Fremdfinanzierung gar nicht zur Verfügung steht.
  4. Also ist es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis die Innogy-Aktionäre eine Kapitalerhöhung vor der Brust haben, entweder frisches equity in ihr Investment pumpen oder dilutieren – und es ist sehr wahrscheinlich, dass die Kapitalerhöhung deutlich höher ausfällt als der Ertrag der Aktionäre aus der Dividende, denn 900 Mio. frisches equity bringt Innogy nicht wirklich weiter … Außerdem ist die EK-Quote heute mit rd. 19% (8,93 Mrd. EUR) ohnehin recht dürftig, da ist ein „größerer Schluck aus der Pulle“ per nennenswerter Kapitalerhöhung eh‘ angebracht. Wenn die FCF-Marge erheblich höher wäre, wäre das nicht nötig, dann könnte der Fremdfinanzierungsanteil sogar noch problemlos sinken, denn ein hoher FCF würde dann Zinskosten/Tilgung finanzieren. Aber eine merklich höhere FCF-Marge ist nicht erkennbar!

Bei diesen sehr dürftigen Ertragszahlen und dem eher schwerer zu beherrschbaren Umfeld in den nächsten Jahren sollten Innogy-Aktionäre einmal von Essen aus ihren Blick nach dem nahen Düsseldorf richten. Da sitzt Henkel. Die verdienen mit schnöden Waschmitteln, Klebstoffen und Haarfärbemitteln fast 2,5x (2,25 Mrd. EUR FCF = 11,8% FCF-Marge, CCR 107%) mehr als Innogy, setzen dafür aber nur gut die Hälfte des Kapitals (rd. 17 Mrd. EUR, ROCE 12%) von Innogy ein, und zudem legt Henkel bottom line zweistellig pro Jahr zu. Dennoch ist die Aktie von Henkel mit rd. 22,8x FCF ca. 42% günstiger bewertet als Innogy mit extrem überteuerten 39,3x FCF.

Und die Party um die attraktive Dividende wird meines Erachtens nicht allzu lange währen, sondern stattdessen in einen stattlichen Kater münden.

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