Nestlé H1 + Q2/2021:

Nestlé liefert ein weiteres starkes Halbjahr und entwickelt sich deutlich stärker als die Branche. Während die Wettbewerber auf Grund des Endes der Bevorratungskäufe nach Lockdown-Ende Bremsspuren aufweisen, wächst Nestlé immer schneller und hat in Q2 gegenüber dem dynamischen Q1 noch einen Gang höher geschaltet und hebt so auch die Umsatzerwartung.

Was unterscheidet Nestlé von den Wettbewerbern? Die Konsequenz des Portfolioumbaus, also der Verkauf wachstumsschwachen Volumen-Geschäfts und der Erwerb höherwertigerer Wachstumsmarken in den Bereichen natural/organic/Gesundheit. Zudem die Umsicht bei der Straffung der internen Prozesse, das beschleunigte Innovationstempo mit neuen, hochwertigen Produkten, die die Konzernmarken nach und nach im höheren Preissegment positionieren, und der Wachstums-Turbo bei zugekauften Marken durch schrittweise Etablierung im weltweit größten Vertriebskanal-Netzwerk im Lebensmittelsektor (global über 6 Mio. Verkaufsstellen und mehrere tausend Online-Vertriebskanäle).

Die wichtigen Umsatzdetails: In beiden Quartalen des Halbjahrs ist Nestlé schneller gewachsen als die wichtigen Wettbewerber. So beträgt das organische Umsatzwachstum (oW) in Q2 +8,6% nach +7,7% oW in Q1, im ersten Halbjahr (H1) legt das oW um 8,1% auf 41,76 Mrd. CHF zu. Berichtet hat Nestlé 1,5% zugelegt, weil Wechselkursänderungen den Umsatz um 3,5% und ebenso auch M&A den Umsatz geschmälert haben, per Saldo um 3,1%.  Im gesamten Zeitraum war das Wachstum vorwiegend absatz- und mixgetrieben (H1 +6,8%), die Preise wurden um 1,3% erhöht. Das Wachstum kommt erfreulicherweise wieder aus allen Vertriebskanälen. Ebenso haben alle Absatzregionen weltweit gut zugelegt. Außerdem sind sämtliche Produktkategorien gewachsen. Der Bereich Kaffee (mit seinen drei größten Marken Nescafé, Nespresso, Starbucks) hat wie meist den größten Wachstumsbeitrag geliefert. Nespresso wächst weiterhin zweistellig (14,6% auf 3,2 Mrd. CHF – und mit 26% operativer Marge eine der Top-Cash-Cows des Konzerns), Starbucks-Retail wächst mit 16,7% besonders dynamisch auf 1,4 Mrd. und das übrige Kaffeegeschäft wächst hocheinstellig. Auch Purina, das Tiernahrungsgeschäft, wächst unverändert zweistellig, trotz des Endes der Bevorratungskäufe (de-stocking) nach den Lockdowns. Fertiggerichte/Kulinarik wachsen trotz de-stocking hocheinstellig, vor allem Maggi und die US-Fertiggericht-Marke Stouffer’s. Vegetarische/pflanzenbasierte Produkte wachsen ebenfalls nachhaltig zweistellig, angeführt von Garden Gourmet, die in immer mehr Vertriebskanälen etabliert werden. Milchprodukte legen hocheinstellig zu, das Süsswarengeschäft wächst zweistellig (+11%), nach Lockdown-Ende gepusht von Impulskäufen in wieder geöffneten Verkaufsstellen. Health Science wächst robust zweistellig, und zwar alle Bereiche (Vitamine, Mineralstoffe, Nahrungsergänzung, z. B. Collagene, und Produkte für gesundes Altern). Der Umsatz mit Babynahrung ist geschrumpft, weil in der Pandemie die Geburtenraten weltweit gesunken sind. Der Umsatz mit Wasserprodukten hat nach dem Verkauf der US-Volumenmarken wieder zugelegt (+3,6%), Wachstumstreiber sind die Premium-Marken Perrier und San Pellegrino. Vor dem Hintergrund des stabilen Wachstums wird die Geschäftsjahres-Umsatz-Erwartung auf ein organisches Umsatzwachstum von 5% bis 6% erhöht (bisher: „weitere Steigerung des oW in Richtung eines mittleren einstelligen“ Bereichs).

Die Margen: Die bereinigte operative Marge (oM) liegt mit 17,4% auf dem hohen Niveau des Vorjahres. Deutlich höhere Inputkosten (Rohstoffe, Transport) und negative Wechselkursänderungen wurden von höheren Preisen, einem verbesserten Mix, mengenbedingten Skaleneffekten und von laufenden Effizienzmaßnahmen kompensiert! Die größte Margenbremse war der Schweizer Franken (FX -3,5%) und nicht die Kosteninflation. Die profitabelsten Geschäfte sind nach wie vor Kaffee/Flüssigprodukte mit 24,9% oM (+190 bps), Tiernahrung mit 21,2% oM (-80 bps, höhere Inputkosten haben besseren Mix überkompensiert), Milchprodukte mit 25,2% (+240 bps) und Nahrungsergänzung mit 17,8% (-550 bps, wesentlich wg. einmaliger Integrationskosten von Zenpep). Unterhalb der Konzern-oM liegen Fertiggerichte/Kulinarik mit 16,3% (-210 bps, weil höhere Inputkosten höhere Preise/besseren Mix überkompensiert haben), Süsswaren mit 11,5% oM (+210 bps) und Wasser mit 8,9% (+50 bps, wobei die oM mit dem Wegfall des US-Volumengeschäfts weiter steigen sollte; in Q1 war dieses Geschäft noch in der Bilanz). Für das Geschäftsjahr erwartet Nestlé mit 17,5% oM eine leicht niedrigere bereinigte oM als für das Geschäftsjahr 2020 (17,7%), was in H2 anfallende einmalige Integrationskosten für The Bountiful und eine zunächst zeitverzögerte weitere Anpassung von Preisen an höhere Inputkosten reflektiert. Bislang hatte Nestlé eine moderate Margenverbesserung angestrebt, was erst 2022 gelingen soll.

Die Free Cash Flow-Marge ist im ersten Halbjahr (H1) in der Regel niedriger als im gesamten Geschäftsjahr, da das Geschäft im zweiten Halbjahr größer ist. Berichtet erreicht die Free Cash Flow-Marge in H1 6,7%, net working capital-bereinigt 11,9% (größeres Lager, höhere Forderungen an Kunden). Im Geschäftsjahr (FY) 2020 beträgt die Free Cash Flow-Marge 12,1% und im FY 2019 12,9%. Die Nettoschulden belaufen sich auf 44,4 Mrd. CHF, denen der Börsenwert des Anteils an L‘Oréal von aktuell rund. 54 Mrd. CHF gegenübersteht (Nestlé hält 23,2% an L‘Oréal; die Nestlé zufließende Dividende beträgt dieses Jahr netto 630 Mio. CHF).

Die Bilanz: Das Eigenkapital (EK) beträgt nahezu unverändert 45,65 Mrd. CHF (trotz M&A), die EK-Quote 36%. Dabei haben die unseres Erachtens unnötigen Aktienkäufe bis 2020 die EK-Quote gedrückt; ohne die Aktienrückkäufe hätte Nestlé rd. 20 Mrd. CHF höheres Eigenkapital. Die Gesamtkapitalverzinsung (RoCe) beträgt solide 12,2% FYe.

Bewertung: Der Enterprise Value beträgt das 33fache des Free Cash Flows. Den Fair Value nach Discounted Cash Flow-Methode sehen wir bei 114-122 CHF/Aktie. Nestlé wächst robust und zudem schneller als die Wettbewerber, der konsequente Portfolioumbau trägt Früchte.

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