L’Oréal, Q2 + H1/2021:

L’Oréal untermauert seine weltmarktführende Position im Beauty-Segment mit sehr hohem Wachstum und hohen Margen eindrucksvoll. Langjährig sind die Haut- und die Haarpflege die Personal Care-Kategorien mit dem höchsten Wachstum, allerdings war das Geschäft während der Lockdowns keine Bevorratungs-Kategorie. Nun kehrt der Absatz wieder auf ein hohes Niveau zurück. Nachdem das organische Umsatzwachstum (oW) in Q1 mit 10,2% auf 7,62 Mrd. EUR bereits dynamisch war, hat es sich in Q2 mit 29,6% auf 7,58 Mrd. EUR nochmals erheblich beschleunigt. Insgesamt hat L’Oréal in H1 mit einem oW von 20,7% auf 15,2 Mrd. EUR zugelegt (berichtet +16,2%, da Währungseffekte wegen des stärkeren Euros -5,6% ausmachten, zudem M&A +1,1%, vorwiegend durch den Erwerb der japanischen Premium-Hautpflegemarke/Naturkosmetik Takami, die schrittweise in ganz Asien vertrieben werden soll ). Diese ganz besonders hohe Dynamik hat das Geschäft natürlich nicht fortwährend, denn derzeit gibt es definitiv Nachholeffekte. L’Oréal hatte jedoch mit seinen weltweit erfolgreichen Marken, insbesondere mit dem Luxussegment und den hochwertigen Apothekenmarken, auch vor den Lockdowns branchenführende Wachstumsraten.

Im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres (H1) haben alle Geschäftsbereiche und Absatzregionen zum hohen Wachstum beigetragen, außerdem wurde in den meisten Produktkategorien und Absatzmärkten weitere Marktanteile gewonnen.

Folgend die Q2-Daten:

Umsatz: Das organische Umsatzwachstum der Geschäftsbereiche:

  • Luxus +45,7% (35,6% Anteil am Konzernumsatz): Das stärkste Wachstum und die höchsten Marktanteilsgewinne hatte die Luxus-Hautpflege mit Lancôme und Kiehl‘s; das Luxus-Parfumgeschäft ist insbesondere in den USA und China gewachsen und hat außerdem vom sich allmählich erholenden Reisegeschäft profitiert. Wachstumstreiber waren Giorgio Armani und Yves Saint Laurent. Das Make-up-Geschäft, welches während der Lockdowns erheblich geschrumpft war, hat sich erholt, vor allem in Asien und in den USA. Absatztreiber hier waren Lancôme, Yves Saint Laurent und Shu Uemura.
  • Apothekenmarken +48,4% (12,6% Konzernumsatzanteil): Alle Marken der langjährig starken hochwertigen Hautpflege sind in sämtlichen Absatzregionen hochzweistellig bis dreistellig gewachsen und konnten Marktanteile gewinnen; die kleinste Marke CeraVe hat den Umsatz verdoppelt, die Top-Marken Vichy und La Roche haben vor allem mit neuen Produkten stark zugelegt.
  • Friseurgeschäft +65,9% (12,3% Anteil am Konzernumsatz): Nach Öffnung der Friseursalons ist das Geschäft weltweit explodiert, angeführt von Kérastase bei der Haarpflege und Redken bei der Haarkoloration.
  • Consumer +14,2% (39,5% Anteil am Konzernumsatz): das „Brot- und Buttergeschäft“ hatte wie das Apothekengeschäft auch während der Lockdowns robust hohe Wachstumsraten und hat dies auch nach den Lockdowns in allen Absatzregionen fortgesetzt, vor allem in China, Indonesien, aber auch auf größeren Märkten Europas und in Brasilien. Bei Hautpflege haben L’Oréal Paris und L’Oréal Men Expert weitere Marktanteile gewonnen, vor allem dank Hyaluron-Produkten. Bei der Haarpflege hat Garnier mit neuen Produkten wie Vitamin C Booster weitere Marktanteile erobert, genauso L’Oréal Paris mit Innovationen wie Full Resist. Das Make-up-Geschäft mit Maybelline New York, NYX Professional und L’Oréal Paris erreichte neue Rekordmarktanteile, nachdem es während der Lockdowns geschrumpft war.

Zum Ende von H1/2021 liegt der organische Umsatz bereits wieder 6,6% über dem Vor-Corona-Niveau von H1/2019, beim Vergleich von Q2/2021 mit Q2/2019 beträgt das oW 8,4%.

Das oW der Absatzregionen: Europa 27,8% (Anteil am Konzernumsatz: 31,5%), Nordamerika 44,7% (25,7%), Nordasien (wesentlich China) 26,5% (30,3%), Südostasien/Australien/Naher Osten/Afrika +40,7% (6,9%), Lateinamerika 54,8% (5,6%). Größter regionaler Absatzmarkt ist die USA, gefolgt von China.

Der Online-Absatz ist über alle Vertriebskanäle um 29,2% gewachsen, das Online-Geschäft generiert bereits 27,3% des Konzernumsatzes, vor allem im Apotheken- und im Friseurgeschäft, regional wird das Online-Geschäft von China und den USA angeführt. Der größte Vertriebskanal von L’Oréal ist mittlerweile das Online-Geschäft. Dies widerlegt übrigens die vor geraumer Zeit oft postulierte These etlicher Analysten, die Consumer Staples würden wegen der Vertriebsdigitalisierung Umsätze verlieren. Fakt ist hingegen: Die führenden Consumer Staples von Procter & Gamble über Nestlé und Colgate Palmolive bis L’Oréal dominieren die Online-Vertriebskanäle genauso wie den traditionellen Offline-Vertrieb.

Der neue CEO Hieronimus (zuvor COO) betonte im Call, dass die frühe Etablierung digital abgestützter interner Prozesse, der zunehmende Einsatz von KI für die Auswertung großer Datenmengen auf der gesamten Wertschöpfungskette von der Beschaffung bis zum Vertrieb sowie der Einsatz digitaler Technologien bei der Kundenkommunikation (etwa Augmented Reality-Apps, die zeigen, welche Haarcoloration oder welches Make-up bei der einzelnen Kundin wie aussehen) die Innovationsrate/das Tempo von der Produktidee bis zur Markteinführung neuer Produkte sowie das Umsatzwachstum mittlerweile merklich beschleunigen und die Margen erhöhen. L’Oréal will F&E/Capex im Bereich der Digitalisierung deshalb weiter ausbauen, L’Oréal solle eine „Beauty Tech Company“ werden.

In der Guidance für H2 bemerkt L’Oréal typisch allgemein, dass sie weiter wachsen, die Wettbewerber erneut outperformen und die Margen weiter erhöhen wollen.

Margen: Die bottom line (für H1 -L’Oréal auf H1-/FY-Basis berichtet):

Trotz des starken FX-Gegenwinds (Wechselkursänderungen) und höherer Inputkosten (vor allem ölbasierte Rohstoffe und Vorprodukte sowie Logistik) haben die Roh- und operative Marge zugelegt, weil höhere Preise durchgesetzt wurden, der Produktmix weiter verbessert wurde, höhere Absatzmengen zu höheren Skaleneffekten geführt haben und laufende Effizienzmaßnahmen umgesetzt wurden:

  •       Rohmarge 74,5% = +140 bps
  •       operative Marge (oM) 19,7% = +170 bps

Die Margenerhöhung ist auch deshalb beeindruckend, weil L’Oréal die Werbeausgaben, der größte Kostenblock des Konzerns (sogar vor den Cost of goods sold), zur Absatzerhöhung um 210 bps auf 32,6% des Umsatzes erhöht hat.

Das mit Abstand profitabelste Geschäft bleibt das Apothekengeschäft (28,8% oM = -10 bps; einmalige M&A-Kosten aus dem add-on in Japan bei Naturkosmetik) vor Luxus (23,8% = +340 bps; deutlich höhere Preise und volumenbedingte Skaleneffekte), Friseur (20,5% = +1.010 bps; in H1/2020 waren länger mehr Friseurgeschäfte geschlossen, jetzt volumenbedingte Skaleneffekte) und Consumer (20% = -130 bps; Preis/Mix/Skalen/Effizienz haben FX und höhere Kosten zwar kompensiert, aber Firmenwertabschreibung in Höhe von 250 Mio. EUR bei der kleinen Kosmetikmarke IT Cosmetics, weil die Marke nicht wie gewünscht läuft und restrukturiert wird).

Die Free Cash Flow-Marge erreicht net working capital-bereinigt sehr hohe 17,3%, berichtet 12,8%; die Cash Conversion Rate bereinigt 111,1%.

Typisch L’Oréal – sie verdienen so extrem gut, dass working capital-Optimierung ein Fremdwort ist, vor allem bei den Forderungen gegenüber Kunden sind sie großzügig. Zudem verfügt L’Oréal traditionell über ein gefülltes Lager; typisch Familien-Firma. Wäre L’Oréal bei diesem Thema so strikt wie die US-Consumer Staples, ginge die Free Cash Flow-Marge recht zügig Richtung 20%. Vielleicht entdeckt CEO Hieronimus das Thema, der seit Mai der Firma vorsteht.

Die Bilanz – gewohnt brillant:

Die Nettofinanzposition inkl. Pensionsverpflichtungen und des net working capitals beträgt 572 Mio. EUR, das net cash 2,37 Mrd. EUR (Cash abzgl. Finanzschulden/Leasing). Hinzu kommt der Marktwert der 9,38%igen Beteiligung an Sanofi, aktuell sind es 10,3 Mrd. EUR (die diesjährige Sanofi-Dividende an L’Oréal beträgt vor Steuern 378 Mio. EUR; Konzern-Steuersatz von L’Oréal 21,7%).

Das Eigenkapital (EK) legt zu um +2,2% auf 29,63 Mrd. EUR, die EK-Quote beträgt 67,4% (ohne IFRS 17-Finance Leases sind es 69,9%). Allein das kurzfristige Vermögen deckt 96,1% aller kurz- und langfristigen Verbindlichkeiten ab. Die Gesamtkapitalverzinsung (RoCe) beträgt hohe 18,9% FYe.

Bewertung: Der Enterprise Value (ohne Marktwert Sanofi-Beteiligung; inkl. Sanofi-Dividende im Free Cash Flow FYe) beträgt das 39fache des Free Cash Flows FYe. Den Fair Value nach Discounted Cash Flow-Methode (DCF) sehen wir bei 320 – 330 EUR/Aktie.

Die Analysten haben für die kommenden 12 Monate durchweg höhere Kursziele ausgerufen als in der obigen DCF-Betrachtung als Fair Value ermittelt. Dennoch sind wir der Ansicht, dass die Bewertung nach dem recht schnellen Kursanstieg „gedehnt“ ist und berücksichtigen diese Meinung über die Portfoliogewichtung entsprechend, gleichwohl mittelfristig selbst die gegenwärtig ausgerufenen Kursziele bis zu 450 EUR/Aktie gerechtfertigt erscheinen auf Grund des langjährigen Free Cash Flow-Wachstums. Denn L’Oréal ist sehr gut aufgestellt: Sie haben einen beträchtlichen Umsatzanteil aus Produktkategorien mit besonders hohem Kategorienwachstum, sie sind in den meisten dieser Kategorien Weltmarktführer, sie gewinnen auch fast immer mehr Marktanteile, sie haben viele Produktkategorien, die sich online gut verkaufen lassen – und, was unseres Erachtens entscheidend ist, sie verändern sich schnell. Außerdem haben sie allein mit der net working capital-Optimierung viel Potential auf der bottom line. Der neue CEO Hieronimus betont bei jedem Auftritt, dass sie sich weiter schnell verändern und innovativ bleiben müssen. Der hohe Capex und die hohe F&E (jeweils 1 Mrd. EUR p. a., also jeweils rd. 3,5% des Umsatzes, was für Consumer Staples ein hoher Wert ist), den sie sich angesichts ihrer hohen Margen leicht leisten können, zeigen, dass sie die Veränderung entschlossen vorantreiben. Eine hohe Cash-Produktion liefert eine hohe Feuerkraft für Veränderung, die die Cash-Produktion erhöht, was weitere Feuerkraft liefert etc. pp.

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