Sonova, H1 2021/22

 

Die Schweizer erreichen im ersten Halbjahr (H1) des Geschäftsjahres 2021/2022 ein organisches Umsatzwachstum (oW) von 45,6% auf 1,6 Mrd. CHF. Die Vergleichsbasis im Jahresvergleich ist allerdings sehr niedrig wegen der damaligen Lockdowns weltweit (das erste Halbjahr H1 von Sonova geht von 1.4. bis 30.9., vor allem von April bis Juni 2020 war der Einzelhandel, auch die Hörgeräteakustik, praktisch weltweit über zehn bis zwölf Wochen geschlossen). Aussagekräftiger ist die starke durchschnittliche Wachstumsrate auf zwei Jahre in Höhe von 8,5% p.a., wobei man anmerken muss, dass die Kundenfrequenz trotz der erfreulichen Markterholung in den Innenstädten/Einkaufsmeilen in vielen Absatzregionen auch im Berichtszeitraum gebremst war.

Größter Wachstumstreiber war erneut die im August 2020 gelaunchte Premium-Hörgeräte-Plattform Phonak Audéo Paradise 2.0 (PRISM-Chip mit neuem Sprachverarbeitungs-Algorithmus, Sensorsteuerung, verschiedene Bluetooth-Verbindungen, verbesserte myPhonak-App und Bewegungssensor), deren anhaltende Absatzdynamik von der Markteinführung zweier add on-Innovationen verstärkt wurde: von Phonak Audéo Life, dem weltweit ersten wiederaufladbaren und vollständig wasserdichten Hörgerät, sowie im August 2021 von Phonak ActiveVent, dem weltweit ersten intelligenten Hörgeräte-Receiver (Weiterentwicklung des PRISM-Chip).

Die Sonova-Hörgeräte-Volumen-Marke Unitron lancierte im April dieses Jahres die Plattform BLU, die auf dem gleichen Sonova-PRISM-Chip wie die Phonak Paradise-Plattform basiert. Unitron BLU verkauft sich laut CEO Kaldowski seit dem Vermarktungsstart gut.

Ein weiterer Treiber der top line war das Cochlea-Implantate-Geschäft, insbesondere die Lancierung von zwei neuen Soundprozessoren der Marvel-Plattform für Erwachsene (Naida CI Marvel) bzw. für Kinder (Sky CI Marvel) sowie ein Anstieg chirurgischer Eingriffe (nachdem im Vorjahres-H1 viele Eingriffe verschoben worden waren).

Sonova wächst also, wie meist, vor allem mit neuen Produkten. Im Peers-Vergleich ist Weltmarktführer Sonova traditionell F&E-stark und hat deshalb fast immer eine hohe Schlagzahl bei Innovationen, die sich gut verkaufen. Langjährig setzt Sonova 7% bis 8% seines Umsatzes für F&E ein (aktuell 7,2%), das sind rd. 200 bps mehr als – die meist – margenschwächeren Wettbewerber.

Das Hörgerätegeschäft (also die Produktion und der Verkauf an konzernfremde Retailer/Hörgeräteakustiker wie z. B. Fielmann, Krankenversicherungen und Wiederverkäufer) hat in lokalen Währungen (das oW berichtet Sonova nicht für seine einzelnen Geschäftsbereiche) um 46,2% auf 890,2 Mio. CHF zugelegt. Die durchschnittliche Wachstumsrate auf zwei Jahre ist mit +10,5% in lokalen Währungen sehr gut, auch im Peers-Vergleich. Außerdem gewinnt Sonova in den meisten Absatzregionen weiter Marktanteile.

Der eigene Retail (20 Absatzmärkte mit 3.200 Filialen unter verschiedenen Marken) ist mit 48% in lokalen Währungen auf 575,4 Mio. CHF gewachsen, die durchschnittliche Wachstumsrate auf zwei Jahre beträgt +6,3% in lokalen Währungen.

CEO Kaldowski bemerkte im H1-Call, man schaue sich für den weiteren Ausbau des eigenen Retail-Netzwerks nach weiteren Zukäufen um, und zwar sowohl per bolt-ons zur Netzverdichtung in denjenigen Absatzmärkten, in denen Sonova bereits präsent ist (für bolt-ons, die Sonova praktisch laufend macht, werden künftig rd. 70 bis 100 Mio. CHF p. a. eingeplant, bisher waren es 50 bis 70 Mio. CHF p. a.), als auch per „greenfield expansion M&A“ in neuen Absatzmärkten, insbesondere in Ländern mit schneller wachsendem Hörgerätegeschäft.

Das kleinste und jüngste Konzerngeschäft, das Implantate-Geschäft (Markteintritt 2009, damals hat Sonova die US-Firma Advanced Bionics gekauft), ist mit 67,3% in lokalen Währungen auf 138,3 Mio. CHF gewachsen, die durchschnittliche Wachstumsrate auf zwei Jahre beträgt +5,3% in lokalen Währungen.

Das regional größte Konzerngeschäft in Europa/Naher Osten (52% des Konzernumsatzes) hat mit 41,3% in lokalen Währungen zugelegt, die durchschnittliche Wachstumsrate auf zwei Jahre beträgt +7% in lokalen Währungen. Das US-Geschäft (31% des Konzernumsatzes) ist mit 70,3% in lokaler Währung bzw. mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate auf zwei Jahre von +12,2% lW erneut am dynamischsten gewachsen. Auch die anderen Absatzregionen entwickelten sich erfreulich.

Die Top-Wachstumsmärkte sind die alternden Gesellschaften in Westeuropa, USA und China.

CEO Kaldowski gab ein Update zum Markteintritt in China, zum Omnichannel-Vertrieb sowie zum konzernweiten Online-Geschäft, welches Sonova mittlerweile in dreizehn Absatzmärkten etabliert hat:

⁃ China und dortiger Omnichannel-Vertrieb:

„Entering China, accelerating eCommerce Healthcare is among the fastest-growing consumer needs in China, and the size of the market is only matched by its complexity: there is no one-size approach. We have therefore committed to implementing our full omni-channel strategy in this market. As a starting point for further expansion, and based on the established habits of Chinese consumers, we have launched our presence on Tencent Health, part of the WeChat platform used daily by more than 1.3 billion Chinese people, and on Alibaba Health, part of the largest B2C eCommerce platform in the country. Through these channels, Chinese consumers can find information about hearing care, conduct a digital hearing selftest, and book an appointment with one of the retail networks, totaling more than 300 stores, with which we have established partnerships through our Hearing Instruments wholesale business.“

⁃ Omnichannel/Online-Vertrieb:

„Our own eCommerce activity in multiple markets has also significantly and rapidly accelerated, both through our own branded eShops and through the acquisition in 2019 of the French company Audilo; we are now present in 13 countries. The success of Audilo is clearly reflected by its performance, with sales doubling in 2020. The overall mission for eCommerce is to increase consumer awareness, expand the sales value generated per customer with ancillary products and services, reach new consumers in our existing markets, and enter new markets where we do not yet have a physical presence.“

Die Margen:

Die dynamische Absatzerholung hat die Rohmarge über volumenbedingte Skaleneffekte erheblich befeuert (Rohmarge 73,8% = +430 bps in lokaler Währung, +1.100 bps auf zwei Jahre in lokalen Währungen). Daneben wurde der Mix weiter verbessert und das laufende Effizienzprogramm sowie leichter Rückenwind aus Devisenveränderungen haben ebenfalls zur erheblichen Margenerhöhung beigetragen. Das EBIT steigt deshalb mit 61,8% auf 372,2 Mio. CHF, die operative Marge beträgt 23,2% (+160 bps im Jahresvergleich in lokalen Währungen und +170 bps berichtet, 2 Jahre +630 bps berichtet).

Sonova hat operativ also sehr gut abgeschnitten, sie schaffen es nahezu immer, die bottom line kontinuierlich zu verbessern.

Für die Geschäftsbereiche berichtet Sonova lediglich das EBITA als operative Marge, also nicht das EBITDA, und auch nicht das unseres Erachtens sinnvolle EBIT. Der wesentliche Unterschied: Beim EBITA sind die „Depreciations“ abgezogen, also die Abschreibungen auf Sachanlagen, beim EBITDA werden auch die „Amortizations“ nicht subtrahiert, also die Abschreibungen auf immaterielles Anlagevermögen. Weshalb berichtet Sonova das EBITA? Immaterielles Vermögen und Investitionen in immaterielles Vermögen sind geschäftsmodellbedingt wesentlich größer/höher als Sachanlagen und Investitionen in Sachanlagen (M&A-bedingt und wg. bilanzieller Aktivierung von F&E; F&E ist etwa 3x größer als Capex, und lediglich ein kleinerer Teil des Capex wird für Sachanlagen eingesetzt). „Depreciations“ sind also nicht hoch. Weshalb ist unseres Erachtens das EBIT sinnvoller als das EBITDA und EBITA? „D“ und „A“ sind nun einmal Kosten, EBITDA und EBITA suggerieren ein höheres operatives Ergebnis als tatsächlich angefallen; EBITDA und EBITA sind unseres Erachtens typische Schönrechnereien aus dem angelsächsisch dominierten Investmentbanking.

Im Hörgeräte- und Retailgeschäft erreicht die EBITA-Marge 26,5% (keine Differenzierung nach Hörgerätesegment und Retailsegment, wobei die EBITA-Marge im Hörgerätesegment deutlich höher sein dürfte als im eigenen Retail), im Implantate-Geschäft erreicht sie erstmals 13%. Das ist neuer Rekord. Sonovas „bets“ sind zwar noch nicht so profitabel wie das Kerngeschäft, aber es wird zunehmend besser (konzernweit erreicht die EBITA-Marge 25,3%.)

Der Margenanstieg in H1 wurde laut CEO Kaldowski gegen Ende des Berichtszeitraums zunehmend von Störungen in der Lieferkette (vor allem bei elektronischen Komponenten) gebremst. Sonova hat frühzeitig das Lager bis unters Dach aufgefüllt (Inventories +21,9% auf 315,8 Mio. CHF), so dass Sonova die nachgefragten Geräte ausliefern kann, aber in H2 rechnet Sonova mit weiter steigenden Bezugskosten, je nach Lage auch mit leicht gebremstem Auslieferungstempo bei Hörgeräten. Zwar bleibt Sonova bei seiner Geschäftsjahres-Erwartung (24% bis 28% Umsatzwachstum und 34% bis 42% EBITA-Wachstum ohne einmalige Kosten aus dem Zukauf der Sennheiser Consumer Division, dessen Closing laut Sonovas Pressemitteilung vom  19.10.2021 bis Ende des Geschäftsjahres 2021/2022 (endet Ende März 2022) erfolgen soll. Die kartellrechtlichen Freigaben sind inzwischen erfolgt, jedoch läuft noch die Integrationsvorbereitung, z. B. bei der IT. Sonovas Mittelfristziele: 6% bis 9% in lokalen Währungen, 7% bis 9% höheres Ebita p. a.), aber die Lieferkettenprobleme und auch die höhere Vergleichsbasis in H2 im Jahresvergleich sind, so Kaldowski, herausfordernd und beeinflussen die H2-Performance. Der Aktienkurs gab danach fast 10% ab – wobei das mit Blick auf den zuvor sehr dynamischen Kursanstieg seit Jahresanfang von über 70%, der die Bewertung von Sonova unseres Erachtens zu schnell in zu luftige Höhen katapultiert hatte, ein vernünftiges „Durchatmen“ ist.

Die net-working-capital-bereinigte Free Cash Flow-Marge ist mit 24,3% gewohnt sehr hoch, berichtet sind es 21,3% (Lagerauffüllung, Zeitpunkt von Steuerzahlungen, höhere receivables).

Die Bilanz ist stocksolide: Niedrige 400 Mio. CHF Nettoschulden (rd. 0,6x Free Cash Flow; resultierend aus laufender bold-on M&A bei Retail), wobei Sonova ohne laufende Aktienrückkäufe (249,3 Mio. CHF in H1) und die Ausschüttung der Dividende (201,6 Mio. CHF) schuldenfrei wäre; die EK-Quote (bereinigt um Ladenmieten/IFRS 16) beträgt 49,1%, ohne die bei uns unbeliebten Aktienrückkäufe, die sie aber jederzeit einstellen könnten, wären es rund 55%.  

Die Gesamtkapitalverzinsung (RoCe) beträgt sehr gute 23,7% FYe.

Der Enterprise Value beträgt das 32,6 fache des Free Cash Flows FYe bzw. das 30,4 fache des Free Cash Flows 2022/2023e. Den Fair Value nach Discounted Cash Flow-Methode (DCF) sehen wir bei 360 – 370 CHF/Aktie. Sonova verfügt über ein robustes Wachstum, hohe Margen und eine solide Bilanzqualität und befindet sich in Untergewichtung sowohl im Portfolio des Unternehmerfonds als auch des Unternehmerfonds flex.

Sonova ist bei Hörgeräten nicht nur umsatzbezogen Marktführer, sondern insbesondere hinsichtlich Innovation und Produktqualität. Entsprechend hoch ist die Marktmacht der Eidgenossen. Sonova weist ein robustes Geschäftsmodell mit sehr hohen Burgmauern, ein langfristig solides und verlässliches Umsatzwachstum und einen hohen und wachsenden Free Cash Flow auf, was weitere „Feuerkraft“ für Innovationen zur Folge hat. Sonova verfügt über hohe Margen, hohe Skaleneffekte und eine hohe Kapitalverzinsung. Sonova bringt also vieles mit, was wir sehen wollen, um langfristiger Miteigentümer an einer Firma werden zu wollen. Neben der Innovationsführerschaft und der hohen Produktqualität profitiert Sonova zudem von der stark alternden Gesellschaft in Westeuropa, den USA und China.

Kleine „Performance-Bremse“ im Portfolio

Die Punkte:

  • Henkel: Schwache Kursentwicklung
  • Henkel wächst ordentlich
  • Unverschuldeter Margenrückgang
  • „Baustelle“ Beauty
  • Was unternehmerisch sinnvoll ist / Kritikpunkte
  • Was wir getan haben und wie wir weiter vorgehen

Die Perfomance unseres Unternehmerfonds ist langfristig sehr erfreulich, insbesondere risikoadjustiert. Nicht aber die unseres Portfoliounternehmens Henkel. Seit nahezu fünf Jahren ist Henkel ein (geringfügiger) „Bremsklotz“ unserer insgesamt guten Fondsperformance. (Performance Unternehmerfonds auf 5 Jahre: 89,77% ; Henkel Vz.: -22,79%. Stand: 11.11. Quelle: Bloomberg.)

Warum die Geschäftsentwicklung von Henkel nur bedingt zur Kursentwicklung passt und wie wir mit unserer Beteiligung an Henkel zukünftig verfahren wollen, erläutern wir folgend. Dazu betrachten wir zunächst die am Montag letzter Woche berichtete Umsatzentwicklung des dritten Quartals 2021, stellen zudem einen 2-Jahresvergleich an, also einen Vergleich mit Q3/2019 vor der Corona-Absatzverzerrung, und gehen später auf unsere Kritikpunkte sowie unsere weitere Vorgehensweise ein:

Henkel, Umsatz Q3/2021: Henkel erzielt ein solides  organisches  Umsatzwachstum (oW) von 3,5% auf 5,09 Mrd. EUR. Dies bedeutet zwar  eine  mathematisch nachlassende Dynamik gegenüber dem ersten Halbjahr (H1: 11,3% oW), jedoch geht dies auf die jeweilige Vergleichsbasis zurück (niedrige H1-Basis mit -5,2% oW  in H1/2020 wg. damaliger Lockdowns mit Absatzrückgang bei Adhesives, Friseur und Haarpflege/-Koloration, welcher das Wachstum bei den Stockpiling-Kategorien Waschmitteln, Oberflächenreinigern und Handseifen übertraf; hingegen höhere Q3- Vergleichsbasis mit 3,9% oW in Q3/2020, weil sich die Absatzstruktur wieder mehr auf den Normalbereich zubewegt hatte).

Da auch das vierte Quartal bei Henkel ordentlich angelaufen ist, bestätigt Henkel die im Sommer erhöhte Geschäftsjahres-Erwartung von 6% bis 8% oW (zuvor 4% bis 6%).

Blickt man genauer hin, ist das Wachstum erfreulich, denn es hat mehrere erhebliche – nicht von Henkel verschuldete – Wachstumsbremsen gegeben, andererseits sind mehrere Produktkategorien dynamisch gewachsen:

Wachstumstreiber mit jeweils hocheinstelligem bis – mehrheitlich – zweistelligem Wachstum war wie schon im ersten Halbjahr die Klebstoffsparte/Adhesives, Vollwaschmittel, Spezialwaschmittel, Friseur, Spülmaschinentabs, Geschirrspülgel und WC-Reiniger. Regional  waren  praktisch  alle  größeren Schwellenländer Treiber, größtenteils mit zweistelligem Wachstum.

Gebremst hat eine weitgehende Normalisierung der Nachfrage bei den Stockpiling- Produktkategorien, also bei den Produktkategorien, die durch die Lockdown-bedingten Bevorratungskäufe profitiert hatten. Dies gilt vor allem für Handseifen und Oberflächenreiniger, deren Umsatz wegen der hohen  Vergleichsbasis  im Jahresvergleich geschrumpft ist (bzw. mittlerweile wieder auf Normalniveau verkauft werden). Gebremst hat außerdem sehr nennenswert die Lieferkettenstörung, weshalb vorwiegend im gesamten Consumers-Geschäft Bestellungen nicht  vollständig ausgeliefert werden konnten. Bei Adhesives bremste die wegen der Chip-Knappheit weltweit im Quartalsvergleich um 20% gesunkene Autoproduktion. Regional haben die reifen Märkte gebremst, vor allem Nordamerika, wo Hurrikan Ida Produktionsunterbrechungen verursacht hat, was zusammen mit der Lieferkettenstörung/fehlenden Logistikkapazitäten (vor allem LKW-Fahrer fehlen) die Auftragserfüllungsrate bei den Retailern erheblich gedrückt  hat.  Consumers Nordamerika war deshalb die größte Wachstumsbremse im Konzern, gefolgt von der wegen der Chip-Knappheit gekappten Autoproduktion.

Da diese beiden Geschäftsbereiche einen nennenswerten Anteil am Konzernumsatz haben, wäre Henkel unter „normalen“ Marktbedingungen mit funktionierenden Lieferketten merklich schneller gewachsen. Dass dennoch ein organisches Umsatzwachstum im Bereich der unteren Mitte des Langfristkorridors geschafft wurde, zeigt, dass die top line-Struktur des Konzerns insgesamt auch bei stärkerem Gegenwind robust ist!

Zu den drei Konzerngeschäftsbereichen:

Der größte Bereich Adhesives hat mit 7% oW auf 2,44 Mrd. EUR mit Blick auf die gekappte Autoproduktion beachtlich stark zugelegt (oW im Absatzsegment Autoindustrie nur leicht negativ, weil Henkel Marktanteile gewonnen hat und mehrere  Autobauer wieder mit dem Lageraufbau beginnen). Der Grund: Nahezu alle anderen größeren Absatzindustrien haben zweistellig zugelegt. Das Wachstum ist sowohl preis- als auch absatzgetrieben (Preis +3,4%, Absatz +3,6%), weil Adhesives wie in H1 erneut deutlich höhere Preise durchgesetzt und den Mix leicht verbessert hat, und trotz lieferkettenbedingter Absatzschwäche in der Autoindustrie und teilweise hoher Vergleichsbasis das Absatzvolumen steigern konnte. Die hohen F&E-Aktivitäten von Henkel als Weltmarktführer industrieller Kleb-/Dicht-/ Schaumstoffe, gerade auch die gemeinsame Entwicklung spezifischer Innovationen mit Kunden, zahlen  sich  immer mehr aus.

Laundry/Home Care ist ungeachtet der sehr hohen Vergleichsbasis im Jahresvergleich mit 2% oW auf 1,68 Mrd. EUR gewachsen. Wesentlicher Faktor waren erneut die Vollwaschmittel, wie meist angeführt von Persil mit „sehr starkem Wachstum“ (verbesserte Caps-Produkte), daneben Spezialwaschmittel, vor allem Perwoll, mit zweistelligem Wachstum. Im Caps-Geschäft war der Marktanteilsgewinn mit 60 bps besonders hoch. Außerdem ist die Entwicklung bei Geschirrspülmitteln (Pril), Spülmaschinen-Tabs (Somat) und WC-Reinigern (Bref, WC-Frisch) mit zum Teil zweistelligem Wachstum fortgesetzt stark (zudem 50 bps höhere Marktanteile). Bei Reinigungsmitteln (Home Care) ist das oW hingegen wg. der Absatz-Normalisierung bei Oberflächenreinigern „leicht rückläufig“, weshalb das Absatzvolumen von Laundry/Home mit -2,2% negativ gewesen ist. Erneut sehr dynamisch ist die  Verbesserung  bei Preis/Mix mit +4,3%.

Henkel gelingt es, bei Laundry/Home gerade bei seinen beliebten, führenden Top- Marken wie in beiden Vorquartalen höhere Preise durchzusetzen. In der Fachpresse wurde z. B. kolportiert, dass Henkel bei Persil dieses Jahr weltweit rd. 12% höhere Preise durchgesetzt hat, und dennoch steige der Absatz.

Das kleinste Konzerngeschäft, Beauty Care, ist mit 3% auf 934 Mio. EUR geschrumpft. Das ist gleichwohl kein strukturelles Problem, sondern Folge der Nachfrage- Normalisierung bei Lockdown-Kategorien wie Handseife, Haarpflege und Haarkoloration (allerdings konnte Koloration wieder Marktanteile gewinnen, diesmal +20 bps). Dafür konnte Haar-Styling, während der Lockdowns weniger gefragt, hocheinstellig zulegen (außerdem +50 bps bei den Marktanteilen). Auch das Friseurgeschäft ist erneut „stark“ (höher einstellig) gewachsen, und zwar in allen Absatzregionen weltweit.

Der Umsatzrückgang bei Beauty Care war wegen der Nachfrage-Normalisierung in Stockpiling-Kategorien ausschließlich absatzgetrieben; dennoch konnte Preis/Mix bei Beauty leicht verbessert werden (+1,7%), was eine strukturelle Stärke des Produktportfolios zeigt. Da Beauty Care sich noch im Portfolioumbau befindet, ist das eine erfreuliche Nachricht.

Das Konzernwachstum war als Folge der höheren Preise/Mixverbesserungen vornehmlich preisgetrieben (+3,4%), während der Absatz mit +0,1% wenig zugelegt hat – was mit Blick auf den Chipmangel in der Autoindustrie und der Absatznormalisierung bei Stockpiling-Produktkategorien ordentlich ist.

Der 2-Jahresvergleich:

 Aussagekräftiger ist der 2-Jahresvergleich, also der Vergleich mit Q3/2019 vor der Corona-Absatzverzerrung: Der Konzern ist in diesem Zeitraum um 7,5% gewachsen, also durchschnittlich 3,7% oW pro Jahr, was im langfristigen Normalbereich liegt. Wegen des Portfolioumbaus im Geschäftsbereich Beauty, der in den zwei Jahren zuvor in den meisten Quartalen geschrumpft ist, ist dies aber höher einzuschätzen.

Adhesives ist kumuliert mit 8,4% gewachsen bzw. mit durchschnittlich 3,9% pro Jahr, was zwar leicht unter dem langfristigen Durchschnitt liegt, jedoch sollte man hierbei berücksichtigen, dass das Rezessionsquartal Q3/2020 bei Betrachtung eines Zeitraums von lediglich zwei Jahren verzerrt, denn im Konjunkturzyklus bis 2020 gibt es mehr Aufschwung- als Rezessionsjahre.

Laundry/Home hat insgesamt 9,9% zugelegt, also mit 4,4% pro Jahr. Dies liegt leicht über dem langfristigen Durchschnitt. Die TOP-Marken Persil, Pril und Somat  haben sogar im Durchschnitt hocheinstellig bis zweistellig pro Jahr zugelegt.

Beauty ist mit +1,2% im 2-Jahreszeitraum bzw. +0,6% p. a. deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt, was wesentlich am höheren Umsatzanteil von Lockdown- Produktkategorien liegt, zudem am noch nicht abgeschlossenen Konzernumbau; einen Fortschritt gegenüber dem Umsatzrückgang in den Vorjahren stellt es zudem gleichwohl dar.

Bestandsaufnahme 1.0:

 Henkel muss den Portfolioumbau bei Beauty fortsetzen, das ist unseres Erachtens klar. Dies erfolgt erstens mit weiteren Verkäufen kleiner „sub-scaling“-Marken (lt. CEO Knobel im Quartals-Call soll der geplante Verkauf oder das Einstellen dieser Marken mit einem Umsatz von kumuliert 1 Mrd. EUR am Jahresende weitgehend abgeschlossen sein) und zweitens mit stetigen Produktneuheiten, die mit Hilfe einer mittlerweile fortgeschrittenen Effizienzsteigerung der internen Prozesse sowie mit zunehmender Nutzung digitaler Tools (Henkel arbeitet z. B. beim Online-Marketing mit Adobe zusammen; die Verkaufsaktionen beschleunigen den Absatz der Produkte) schneller entwickelt und vermarktet werden, etwa bei der jungen Marke Nature Box mit neuen Haarspül- und Haarreparatur-Produkten.

Auch bei Laundry/Home wirken diese Effizienz- und Wachstumsmaßnahmen, für die Henkel seit 2019 für mehrere Jahre 300 Mio. EUR jährlich einsetzt (das sind rund 15% eines im Normalbereich liegenden Free Cash Flows), lt. CEO Knobel immer besser. So sind z. B. bei Persil neue eco power caps, die den Plastikverbrauch um 97% senken und besonders  digital  kommuniziert und vermarktet werden, weltweit ein Verkaufsrenner.

Das Digital-Geschäft ist beschleunigt DER Wachstums-Vertriebskanal: Bei Consumers wächst das Digital-Geschäft mit 20%, im Konzern beträgt der Umsatzanteil der E- Commerce-Vertriebskanäle mittlerweile fast 20%, bei Adhesives sind es sogar ca. 30%, da die Kundenindustrien immer mehr digital einkaufen.

Insgesamt ist die top line von Henkel mit 3,5% oW im Berichtsquartal erneut robust, sie wäre ohne Chipmangel bei Autos und ohne Hurrikan Ida mit Produktionsausfällen in den USA/Mangel an LKW-Fahrern noch ganz erheblich dynamischer. Außerdem wirkt die Absatznormalisierung  bei  Stockpiling-Kategorien  wie  Handseife  und Oberflächenreiniger, die Unwucht ist aber temporär.

Hinzu kommt: Selten haben wir ein Quartal von Henkel gesehen, in dem so viele Segmente zweistellig oder mindestens hoch-einstellig gewachsen sind, und das trotz zum Teil recht hoher Vergleichsbasis aus dem starken Vorjahresquartal. Und das mathematisch rückläufige Beauty-Geschäft wäre ohne die hohe Vergleichsbasis bei Handseife gewachsen, das Friseurgeschäft entwickelt sich außerordentlich gut und Haarstyling/-koloration gewinnen stetig Marktanteile. Lediglich Haarpflege ist (wie bei Procter & Gamble und L‘Oréal) im Berichtsquartal „soft“ bzw. hat eine eher hohe Jahresvergleichsbasis. Sehr erfreulich ist zudem das beständig hohe Wachstum fast aller Geschäftsfelder in den Schwellenländern und in China.

Des Weiteren: Die Preissetzungsmacht bei Adhesives, dort ist Henkel Weltmarktführer, ist beeindruckend robust, und bei Laundry/Home ist sie mit die beste in der ganzen Branche. Insbesondere Persil ist eine extrem starke Marke, aber auch die anderen großen Marken bei Laundry/Home und das Friseurgeschäft sind eine Bank.

Im 2-Jahresvergleich mit Q3/2019 vor der Corona-Absatzverzerrung haben der Konzern und alle drei Geschäftsbereiche höhere Umsätze, das haben viele Wettbewerber noch nicht geschafft.

Die jüngste Kursentwicklung und zukünftige, potenzielle Kurstreiber

 Trotz der erfreulichen top line wurde der Aktienkurs nach Bekanntgabe der Quartalszahlen gen Süden geschickt. Der Grund: Die Geschäftsjahres-Erwartung für die operative Marge (oM) wurde auf den unteren Rand des vorher prognostizierten Bereichs von 13,5% bis 14,5% konkretisiert. Dass etliche Bankanalysten „verschnupft“ sind, ist nur bedingt nachvollziehbar. Denn für Lieferkettenstörungen kann  Henkel  genauso wenig wie andere Consumer Staples und andere Klebstoffhersteller, die deswegen in diesem Jahr allesamt niedrigere operative Margen haben (wie alle Hersteller physischer Güter), ca. im Bereich 200 bis 400 bps – wie Henkel: Im 5-Jahreszeitraum vor 2020 erreichte die oM jeweils 16% bis 17%, nun sind es unverschuldet 13,5%. Bei allen Wettbewerbern von Henkel wird die temporär niedrigere oM von Analysten hingenommen, da offenkundig ist, dass es sich nicht um dauerhaft und säkulär sinkende Margen handelt, sondern um eine externe Störung, die nach und nach verschwindet, so dass die Margen dann auch wieder zulegen.

Dass dies bei Henkel anders gesehen wird, ist unseres Erachtens nicht nachvollziehbar. Dabei macht das Management von Henkel das, was im Einflussbereich von Henkel steht, solide und gut: Erstens haben sie Preis/Mix um hohe 3,4% verbessert, sowohl bei Adhesives als auch bei Consumers (einer der besten Werte in beiden Peer Groups), sie heben zweitens beständig weiter Effizienzreserven und realisieren drittens wachstumsbedingte Skaleneffekte. Aber zum Teil um 10% und mehr höhere COGS- Kosten, die wie bei allen in Q3 offenbar fast sprunghaft angestiegen sind, sind nur schwerlich zu kompensieren. Aber mit Blick auf zwei, drei Quartale kann das funktionieren. Hinzu kommt: Das laufende Wachstums- und Effizienzprogramm in Höhe von 300 Mio. EUR bremst die operative Marge gegenwärtig um etwa 150 bps.

Der deutliche Kursrückgang der vergangenen Tage ist daher unseres Erachtens nicht gerechtfertigt. Dennoch dürfte es bis auf weiteres keine Kurstreiber geben, da der grundsätzliche Blick auf Henkel (z. B. von Analysten) negativ ist. Kurstreiber dürfte es bei Henkel erst wieder geben, wenn die externen Störungen in den Lieferketten abnehmen.

Unseres Erachtens rückt dies näher: Die Container-Preise stagnieren bzw. sinken auf einigen Routen, der Ölpreis scheint eher nicht weiter zu steigen, die Preise von diversen Metall- und Agrarrohstoffen sind zum Teil erheblich gesunken. Das sind zwar nur zarte Anzeichen für eine Entspannung, aber es signalisiert eine beginnende Kehrtwende. Eine Normalisierung dürfte allerdings noch ein paar Quartale dauern.

Was unternehmerisch sinnvoll ist, kritische Bestandsaufnahme 2.0, wie wir weiter vorgehen

unabhängig hiervon ist es unsere Meinung, dass Henkel mehr M&A gut täte, um den Unternehmenswert schneller zu steigern.

Der laufende Verkauf/die Stilllegung kleinerer Marken ist eine Pflichtaufgabe, aber zu wenig. Henkel sollte vielmehr konsequent alle Produktkategorien verkaufen, bei denen sie entweder eher klein sind und/oder das Kategorienwachstum  nicht überdurchschnittlich ist, ob Handseifen oder Haarpflege. Bei Beauty z. B. blieben dann unseres Erachtens nur Haarstyling und Koloration sowie das Friseurgeschäft übrig.

Die Verkaufserlöse könnte Henkel für Zukäufe in den Segmenten einsetzen, in denen sie stark sind UND die ein überdurchschnittliches Kategorienwachstum haben.

Uns scheint, dass ein größerer Schritt beim Portfolioumbau an  den Mehrheitseigentümern scheitern dürfte. Das rächt sich seit längerem. So ist der Unternehmenswert auf Sicht von fünf Jahren gesunken. Nun ist die Henkel-Bewertung mit unter dem 20fachen des Free Cash Flows wirklich niedrig und das Geschäft läuft mehr als ordentlich. Gleichzeitig sollte man aber auch berücksichtigen, dass VERTRAUEN in eine Firma und in dessen Management eine wichtige Rolle für längerfristigen Wertzuwachs spielt. Ulf Schneider vertraut man, dass er den Umbau bei Nestlé (weiter) erfolgreich gestaltet, auch Taylor/Moeller bei Procter & Gamble. Beide Firmen zählen wir zu den absoluten Weltklassefirmen mit weiterem Potential. Auch in der Corona-Rezession konnte man die Bedeutung des Vertrauens-Aspekts gut beobachten: Firmen wie Hermès, Rational, Sonova, L’Oréal und Fielmann hatten zeitweise deutliche Umsatzeinbrüche zu verzeichnen, die Aktienkurse brachen jedoch nur in der Panik-Phase im März 2020 kurz ein (deutlich stärker als unser Gesamt- Portfolio), erholten sich aber schnell, und erreichen nun immer wieder neue Kurshöchststände. Bei Henkel ist dagegen das Vertrauen in die Firma investorenseitig beschädigt, was wir auch auf CEO Knobels Vorgänger und dessen partielle Hinterlassenschaft und insbesondere dessen „suboptimale“ Kommunikation zurückführen. CEO Knobel hat zwar unseres Erachtens die richtigen – mitunter zu zaghaften – strukturellen Entscheidungen für mehr Wachstum getroffen, jedoch ist dies ein längerer Weg. Erst wenn erkennbar wird, dass die Margen wieder steigen, dürfte Vertrauen in die Firma zurückkehren und sich dies auch bei der Aktienkursentwicklung bemerkbar machen. Neu ist diese Erkenntnis für uns nicht, weshalb die Henkel- Gewichtung im Portfolio aktuell deutlich niedriger ist als z. B. vor fünf Jahren (noch ca. 50% im Vergleich; aktuelle Gewichtung: ca. 3%). So haben wir seit geraumer Zeit die Henkel-Gewichtung im Portfolio durch Mittelzuflüsse im Fonds verwässern lassen und zudem geringfügige Verkäufe Ende März und Mitte August 2021 getätigt.

Wir denken langfristig, wir denken unternehmerisch. Daher sind wir der Überzeugung, dass aus heutiger Sicht eine Beteilung an Henkel – auch unter Berücksichtigung der Bewertung – ein langfristig gutes Investment sein wird. Jedoch müssen wir konstatieren, dass andere Portfoliofirmen mit ähnlichem (sehr geringem) unternehmerischen Risiko ihren jeweiligen Unternehmenswert in den vergangenen fünf Jahren um 50% bis 100% gesteigert haben. Andere börsennotierte Consumer Staples-Wettbewerber sind aktiver bei M&A in Wachstumssegmenten – und erfolgreicher bei Wachstum und Margen. Henkel hängt zu sehr von Adhesives sowie von einer Handvoll Top-Consumers-Marken ab, sie besitzen unseres Erachtens bei Consumers zu viel solides  Mittelmaß  im Portfolio. Wir schauen daher genau, wie sich zum einen das Geschäft weiter entwickelt und ob die unseres Erachtens richtigen Management-Entscheidungen getroffen werden und zum anderen, ob der Bewertungsrückstand zu Wettbewerben auf absehbare Zeit abgebaut wird. Davon abhängig machen wir, ob wir unsere Beteiligung an Henkel weiter abbauen oder uns gegebenenfalls ganz trennen, um das Kapital in wachstumsstärkere „robuste Gewinnmaschinen“ zu investieren, denen die Investoren vertrauen. Es geht uns darum, das Maximale bei sehr geringem unternehmerischem Risiko zu erreichen. Es geht nicht darum, Recht zu haben bzw. Recht zu bekommen.

Wir sind unternehmerisch denkende Langfrist-Investoren mit aktiver Kontrolle. Die aktive Kontrolle unserer Investmentthesen macht ab und an Anpassungen des Portfolios vonnöten, auch die Bewertung einzelner Firmen. Grundsätzlich verkaufen wir ein Unternehmen, wenn der säkulare Gewinntrend bricht oder sich die geschäftliche Erwartung nur teilweise erfüllt hat, um das freiwerdende Kapital dann in werthaltigere oder – bezogen auf Henkel – wachstumsstärkere Firmen mit unter dem Wert liegenden Preis zu investieren. Ob weitere Anpassungen bei Henkel vorgenommen werden müssen, werden wir zu gegebener Zeit entscheiden.

Insgesamt dürfen wir sehr zufrieden sein über die geschäftliche Entwicklung unserer Portfoliofirmen in ihrer Gesamtheit, deren Unternehmenswert-Steigerung und somit unserer Unternehmerfonds-Performance, insbesondere der risikoadjustierten Performance. Das Magazin €uro hat uns einmal sinngemäß richtig zitiert: „Wir ertragen keine Mittelmäßigkeit“. In diesem Sinne bleiben wir wachsam, auch und insbesondere bei Henkel.

 

 

Die Wagner & Florack Unternehmerfonds im Umfeld erhöhter Inputkosten und Inflation

Wir hatten das Thema bereits im September-Investorenbrief aufgegriffen und es bleibt aktuell eines der beherrschenden Themen, wenn nicht das Hauptthema: Gestiegene Inputkosten und deren Auswirkungen auf Margen und Gewinne der Unternehmen sowie auch auf die Inflation.

Die Energie- und Rohstoffpreise sind stark gestiegen und steigen aktuell weiter, es existieren weiterhin Lieferkettenprobleme und Rohstoffe/Vorprodukte waren/sind nicht in erforderlicher Menge verfügbar, da Lieferanten während der Lockdowns Kapazitäten zurückgefahren und zunächst nur vorsichtig begonnen haben, diese wieder aufzubauen. Zugleich fehlen – wie in jedem Konjunkturaufschwung – Transportkapazitäten von Containern bis LKW. Die Folge sind stark gestiegene Inputkosten für Unternehmen und ein deutlicher Anstieg der Inflation.

Wie geht es weiter?

Zuerst ist unseres Erachtens festzuhalten, dass es durchaus normal ist, dass es für mehrere Quartale nach einer Rezession / in einer frühen Aufschwungphase zu erhöhten Inputkosten kommt. Diesmal könnte es einige Quartale länger als üblich bis zur Stabilisierung und Normalisierung dauern, da die Kapazitäten während der Lockdowns massiv heruntergefahren wurden und dann seit dem späteren Frühjahr ein  quasi paralleler Aufschwung in allen drei großen Wirtschaftsregionen startete, der natürlich zunächst einmal einen großen Nachfrageüberhang bedeutete, welcher erst nach und nach mit steigendem Angebot inkl. steigender Transportkapazität  abgebaut  werden kann.

Der Höhepunkt der höheren Vorproduktkosten könnte bei einigen Vorprodukten mittlerweile überschritten sein, denn die Preise einiger Rohstoffe sinken zunehmend. So hat sich der ca. Mitte Juli einsetzende Preisrückgang bei einigen Industriemetallen (z. B. Kupfer, Nickel) und Agrarrohstoffen (z. B. Soja, Mais) in den vergangenen Wochen ausgeweitet. Dies dürfte sich nach und nach auch bei Basischemie,  dann  bei Verpackung und schließlich bei Transportkosten fortsetzen. Auch Rohstoffe für Lebensmittel werden wieder günstiger. Öl/Gas wird hingegen nach wie vor teurer, weil erstens die Opec (bisher) und zweitens Gazprom die Produktion langsamer ausweiten als die Nachfrage steigt, wobei der Nachfrageanstieg auch Folge des Auffüllens der Läger ist, die seit dem Frühjahr – nach strengerem Winter in  Europa/Asien/USA – weniger gefüllt waren als meist üblich. Die Auffüllung soll bis Ende Oktober/Mitte November weitgehend abgeschlossen sein. Die Preise längerfristiger Futures  zeigen nicht mehr nach oben.

Die beiden aktuellen Flaschenhälse sind 1. Abfertigungskapazitäten an Seehäfen (es fehlt wohl an Arbeitern) und 2. in einigen Ländern LKW-Fahrer. Die Logistiker haben während der Lockdowns scheinbar mehr Personal entlassen als in  früheren Rezessionen; die Entlassenen haben sich daraufhin Jobs in anderen Branchen gesucht. Nun dauert es länger, den steigenden Personalbedarf in der Logistik zu decken.

Es ist aber davon auszugehen, dass diese Engpässe in den nächsten Quartalen sukzessive beseitigt werden. Für 2022 wird z. B. bei einigen Industriemetallen bereits ein Überangebot erwartet. Bei anderen Vorprodukten, z. B. bei Chips, soll es noch Engpässe zum Teil bis 2023 geben. Die Jahre 2010 oder 2004 waren ebenfalls Jahre, die durch Aufschwungfrühphasen, in welchen es „hakte“, geprägt waren. Der Schweinezyklus 2021/2022 ist jedoch offenbar gravierender/hartnäckiger.

Ergo: Trotz dieser Hartnäckigkeit läuft der Konjunkturzyklus tendenziell typisch ab, der initiale Schnellanstieg mit den üblichen temporären Verwerfungen  (die  plötzlich steigende Nachfrage nach zyklischen Vorprodukten trifft auf ein zunächst noch skeptisches Angebot, welches die Produktion erst mit steigenden  Preisen  nach  und nach ausweitet, aber wegen der beständig steigenden Nachfrage wird dann doch mehr produziert und geleerte Läger werden aufgefüllt, was die Vorproduktpreise wieder normalisiert) wird zu einem Ende kommen. Die Geschäfte schwingen sich allmählich in einen Normalzustand, das net working capital der Firmen geht dann wieder in den Normalbereich zurück, volumenbedingte Skaleneffekte und bei guten Firmen höhere Preise/besserer Mix lassen Margen steigen und die Cash-Produktion weitet sich aus.

Gleichwohl scheint festzustehen: Aufgrund der deutlich gestiegenen Inputkosten dürfte das dritte Quartal bei vielen Firmen schlechter oder weniger gut ausfallen, sicherlich auch das vierte Quartal.

Was bedeutet das für unsere Portfoliofirmen? Unsere „Consumer-Techs“, wie z. B. Alphabet, Apple, Visa, Microsoft usw., sind tendenziell nur geringfügig von den gestiegenen Inputkosten tangiert, wenngleich auch Lieferengpässe ein  Problem darstellen (z. B. bei Chips). Zudem verfügen die Consumer-Techs über hohe Margen. Zu unseren „Consumer Staples“ konnten wir bereits in unserem letzten Investorenbrief festhalten: „Und trotz der Kostenerhöhung ist es unseren Consumer Staples gelungen, die operativen Margen zu steigern – während Wettbewerber erhebliche Einbußen bei den Margen gemeldet haben. Unsere Consumer Staples konnten die deutlich höheren Inputkosten und auch negative Wechselkursänderungs-Effekte nicht nur ausgleichen, sondern überkompensieren! Dies ist auf den hohen Anteil an Premiummarken mit hoher Preissetzungsmacht zurückzuführen, weshalb höhere Preise durchgesetzt werden konnten, ebenso auf einen ständig verbesserten Preis/Mix und mengenbedingte Skaleneffekte wegen enormer Größenvorteile wie z. B. bei Procter & Gamble, Nestlé, L’Oréal und Colgate. Hinzu kommt, dass unsere Consumer  Staples  eine  globale Präsenz (Ausnahme: Church & Dwight) in nahezu allen relevanten Absatzkanälen besitzen und so die Änderungen regionaler Nachfragestrukturen besonders robust ausgleichen konnten. Es zeigt sich also, dass die „guten“ Consumer Staples es trotz Gegenwindes schaffen, ihren Umsatz und ihre Margen auszuweiten!“ Das gelingt sehr vielen Unternehmen weltweit nicht.

Nun werden die in Kürze anstehenden Quartalszahlen zeigen, welche Auswirkungen die gestiegenen Inputkosten im abgelaufenen Quartal auf Margen und Gewinne der weltweiten Unternehmen hatten und ob bzw. inwieweit unsere Portfoliofirmen erneut die gestiegenen Inputkosten (über-)kompensieren konnten.

Da unsere Portfoliofirmen die steigenden Kosten per Preis, Mix, Absatzskalen  und erhöhte Effizienz bisher überkompensiert haben und diese vier Effekte weiter wirken, könnte es in ein paar Quartalen bei nach und nach nachlassendem Kostendruck erste Guidance-Erhöhungen bei den Margen geben. Dann dürften sich auch die aufgeblähten net working capital-Bestände (wegen der hochschießenden Produktionsmengen und wegen des verbreiteten Lageraufbaus) wieder normalisieren.

Inflation: Es scheint verfrüht, um sagen zu können, ob die Inflation dauerhaft hoch bleibt oder sogar noch weiter steigt. Die beschriebenen Verzerrungen durch die Pandemie müssen abgewartet werden, jedoch scheint der  Konjunkturzyklus,  wie  oben beschrieben, typisch abzulaufen mit entsprechenden (temporären) Auswirkungen auf die Inflation. Zudem existieren weitere potentielle Inflationsquellen, deren Entwicklung es abzuwarten gilt (z. B. staatlich induzierte Gründe (MwSt.-Erhöhung, CO2-Abgaben), Lohn-/Preisspirale, Geldumlaufgeschwindigkeit). Angesichts des niedrigen Zinsniveaus bleibt die Inflation in jedem Fall das Dauer-Thema für Anleger. Selbst wenn die Inflationsraten zukünftig nur bei zwei, drei oder vier Prozent lägen,  würden  sie  den realen Wert von Nominalzinsanlagen deutlich schmälern. Das Minimalziel eines jeden Anlegers, Vermögen real zu erhalten, kann mit Nominalanlagen nicht erreicht werden; die kalte Enteignung vieler Sparer geht dynamisch weiter.

Aktien erstklassiger Firmen bieten hingegen einen sehr guten Schutz gegenüber der Inflation. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Gewinne trotz höherer Kosten zu steigern.

Auf die Wagner & Florack Unternehmerfonds bezogen: Zum einen haben unsere wettbewerbsüberlegenen Consumer Staples eindrucksvoll gezeigt, dass durch Preis, Mix, Absatzskalen und erhöhte Effizienz sowie gutes Management in puncto Beschaffung, Produktion und Distribution auch widrigen Umständen getrotzt werden kann. Zum anderen können unsere robusten Consumer Techs ihre Preise erhöhen und die Konsumenten kaufen die Produkte/Dienstleistungen dennoch. Auf Dauer führt dies – bei nachlassender Inflation – sogar zu noch höheren Margen der Consumer Techs.

Grundsätzlich beteiligen wir uns nur an Unternehmen mit robusten Geschäftsmodellen, einer überschaubaren Wettbewerbsintensität, einer geringen Kapitalintensität und hohen Skaleneffekten. Zudem verfügen unsere Portfoliounternehmen über starke Marken, eine hohe Innovationskraft, eine hohe Produkt- und Servicequalität und besitzen so eine hohe Preissetzungsmacht und somit einen sehr guten Inflationsschutz.

Beiersdorf, Q2 + H1/2021

Sehr erfreuliche Umsatzentwicklung in beiden Geschäftsbereichen: Consumers und tesa in Q2 mit nochmals deutlich beschleunigtem organischem Umsatzwachstum (oW) von +28,3% auf 1,92 Mrd. EUR. Das oW hatte sich bereits in Q1 erholt und mit +6,3% oW auf 1,95 Mrd. EUR zugelegt. Der Umsatz in Q2 und der des ersten Halbjahres (H1: +16,2% auf 3,87 Mrd. EUR) liegt damit wieder über Vor-Corona-Niveau (H1/2021 +3,3% gegenüber H1/2019).

Die sechs Gründe:

  1. Das im Vorjahresquartal während des ersten Lockdowns eingebrochene Reisegeschäft, kehrt – angeführt von Asien – allmählich zurück, wovon der Absatz der Luxus-Hautpflegemarke La Prairie (+77,1% oW in Q2) besonders profitiert.
  2. Das „Brot- und Buttergeschäft“ mit der Hautpflegemarke-Marke Nivea (+19% oW in Q2) profitiert nach Ende der Lockdowns erstens von steigender Nachfrage nach Hautpflegeprodukten und zweitens vom Start des Saison-Geschäfts mit Sonnenschutzmitteln, welches diesmal besonders gut angelaufen ist, da der Tourismus anspringt. Neben Nivea profitiert vom höheren Absatz von Sonnenschutzcremes auch die 2019 zugekaufte US-Marke Coppertone, die mit neuen Produkten erstmals seit 2012 wieder Marktanteile gewinnt und organisch wächst.
  3. Die Anti-Aging-Hautpflegeprodukte gegen Pigmentflecken, die mit dem patentierten Wirkstoff Thiamidol der dermokosmetischen Beiersdorf-Marke Eucerin bereits seit letztem Jahr zu beschleunigt hohem Wachstum im Apothekengeschäft verholfen haben, werden nun auch unter der Marke Nivea Luminous im Einzelhandel vermarktet, was den Nivea-Absatz ebenfalls merklich gepusht hat. Die Launches der Cremes von Eucerin und Nivea gegen Pigmentflecken waren übrigens die bisher erfolgreichste Produkteinführung in der Konzerngeschichte.
  4. Der Bereich Healthcare, der wesentlich das Pflastergeschäft mit den Marken Hansaplast und Elastoplast umfaßt, war im vergangenen Jahr deutlich von den Lockdowns gebremst worden. Mittlerweile legt der Absatz auf allen großen Märkten wieder stark zu, in Q2 mit +40,1%.
  5. Der Online-Absatz insbesondere in China hat mit neuer Präsenz eigener Marken-Shops bei Tmall.com (Alibaba) und mit hochwertigen Aktionsprodukten für den chinesischen Markt sehr dynamisch zugelegt.
  6. Bei tesa ist zum robusten, verlässlich zulegenden nicht-zyklischen Industrie- und Verbrauchergeschäft die dynamische Erholung des zyklischen Industrieabsatzes hinzugekommen (Q1: +23,6% oW; Q2: +33,5% oW auf 373 Mio. EUR).

Das vor etwa anderthalb Jahren gestartete Wachstums- und Effizienzprogramm Care+ wirkt sich mittlerweile sichtbar positiv auf die Umsatzentwicklung aus, insbesondere mit einem höheren Innovationstempo, einer erhöhten Umsetzungsgeschwindigkeit, dem hohen Wachstum und einer verbreiterten Präsenz in Online-Vertriebskanälen und der positiven Entwicklung bei Coppertone.

Die Margen: Auch bei den Margen kommt Beiersdorf trotz der geplant unverändert höheren Investitionen im Rahmen von Care+ erstmals wieder voran, auch wenn der Weg zu den langfristig gewohnten Margen, wie geplant, noch etwa zwei Jahre dauern soll.

Konkrekt: Das Ebit legt um +26,1% zu auf 595 Mio. EUR, die operative Marge beträgt 15,3% (+170 bps). Dabei gab es Gegenwind:  Höhere Kosten für Vorprodukte/Rohstoffe und vor allem deutlich negative Wechselkursänderungen. Letztere waren verantwortlich für -140 bps. bei der Rohmarge, die jedoch auf Grund der positiven Auswirkungen aus Care+ per Saldo um 40 bps auf 58,3% gesteigert werden konnte. Der erwähnte Gegenwind wurde im Konzern überkompensiert von höheren Preisen, deutlich verbessertem Mix (vor allem La Prairie), volumenbedingten Skaleneffekten und von Effizienzverbesserungen aus Care+.

Der Free Cash Flow ist aktuell und auf absehbare Zeit geplant niedrig. Grund hierfür: Wiederum Care+. Beiersdorf plant Aufwendungen für Care+ in Höhe von 80 Mio. EUR p. a. seit 2019 für drei Jahre, zudem seit Frühjahr 2021 weitere 300 Mio. EUR verteilt auf zwei bis drei Jahre, da Care+ schneller bessere Ergebnisse bringt und weiteres Wachstums- und Effizienzpotential insbesondere durch beschleunigte und umfassendere Digitalisierung der internen Prozesse und des Vertriebs identifiziert wurden. Im ersten Halbjahr betrug der Free Cash Flow 225 Mio. EUR, dies entspricht einer Free Cash Flow-Marge von 5,8%. Bereinigt um cash-minderndes net working capital erreicht die Free Cash Flow-Marge jedoch trotz Care+ solide 10,1%. Beim net working capital sei der Vorratsaufbau vor allem bei tesa erwähnt, der insbesondere zur Sicherung der Lieferfähigkeit beim schnell wachsenden zyklischen Geschäft dient, weshalb auch höhere Forderungen aus Lieferung und Leistung bei tesa bestehen; Consumers dagegen konnte sein net working capital merklich senken um 260 bps auf 6,5%. Der neue CEO Warnery sagte im Q2-Call, man werde bei der Umsetzung der Strategie von Care+ Kurs halten, die Prioritäten von Care+ würden die Richtung vorgeben: Höheres Wachstumstempo und schrittweise steigende Margen durch Digitalisierung der internen Prozesse und des Vertriebs, mehr Produktinnovationen und höheres Umsetzungstempo sowie stetige Effizienzsteigerung. Wenn man unterstellt, dass die temporäre net working capital-Belastung wegfällt, die vergleichsweise hohe working capital-Bindung bei Consumers weiter gesenkt wird, sodann nach und nach Cash-Belastungen aus Care+ wegfallen, sollte die Free Cash Flow-Marge regelmäßig zweistellig ausfallen, etwa im Bereich von 12% bis 13%. Das dürfte unseres Erachtens aber noch rund zwei Jahre oder vielleicht drei Jahre dauern, bis also Care+ umgesetzt ist und zudem voll wirkt.

Die Bilanzqualität bleibt gewohnt brillant, diese Solidität findet man selten auf dem globalen Kurszettel: Die Nettofinanzposition inkl. net working capital und inkl. der Pensionsverpflichtungen beträgt 4,19 Mrd. EUR, davon 9,99% eigene Beiersdorf-Aktien mit aktuellem Marktwert von 2,4 Mrd. EUR, das net cash (ohne die eigenen Aktien) beträgt 1,48 Mrd. EUR und allein das kurzfristige Vermögen mit 4,7 Mrd. EUR ist 14% höher als sämtliche kurz- und langfristigen Verbindlichkeiten (4,1 Mrd. EUR)! Das Eigenkapital (EK) steigt um +8,2% auf 6,6 Mrd. EUR, die EK-Quote liegt bei stolzen 61,5%.  Die Gesamtkapitalverzinsung (RoCe) – ohne Berücksichtigung des Marktwerts der eigenen Aktien – ist mit 13,5% trotz der Belastung aus Care+ gut und sollte nach Beendigung des Programms wieder auf sehr deutlich höherem Niveau landen.

Der Enterprise Value (eigene Aktien wurden aus der Marktkapitalisierung herausgerechnet) beträgt das 30,6-fache des Free Cash Flows. Das ist auf den ersten Blick erhöht, jedoch wegen des mit Care+ aktuell eingebremsten Free Cash Flows verzerrt. Den Fair Value nach Discounted Cash Flow-Methode sehen wir bei 108 -114 EUR/Aktie, sofern Care+ weiterhin so gut läuft wie bisher und nach und nach seine Wirkung voll entfaltet, was es weiterhin zu beobachten gilt.

Disclaimer

Lindt & Sprüngli, H1/2021

Ein fulminantes erstes Halbjahr (H1): Das organische Umsatzwachstum (oW) legt sehr erfreulich und überraschend zugleich um 17,4% zu auf 1,8 Mrd. Schweizer Franken (CHF). Der Konzernumsatz liegt sogar wieder leicht über Vor-Corona-Niveau, die Free Cash Flow-Marge ist weiterhin hoch.

Lindt hatte unter den Einschränkungen der Corona-Lockdowns zu leiden. So musste das Unternehmen seine Cafés und Shops schließen, auch das wichtige Ostergeschäft litt unter der Pandemie. So betrug das oW in 2020 -6,1%. Gleichwohl baute Lindt & Sprüngli auch in 2020 seine Marktanteile weiter aus und erwirtschaftete in 2020 eine verlässlich hohe Free Cash Flow-Marge von knapp 12%. Nun die erfreuliche Erholung: Das Premiumsegment des Schokoladenmarktes, in dem Lindt Weltmarktführer ist, hat sich laut CEO Weisskopf von den Einschränkungen der Corona-Lockdowns seit dem Frühjahr schneller erholt als am Jahresanfang erwartbar war. Vor allem der Retail Bereich profitierte von der schnellen Erholung im Frühjahr, auch wenn der Umsatz in diesem Segment das Vor-Corona-Niveau noch nicht ganz erreicht. Auch das Duty Free-Geschäft bleibt wegen fortbestehender Reiserestriktionen merklich hinter dem Vor-Corona-Niveau. Das Ostergeschäft hat sich hingegen gegenüber 2020 sehr gut erholt. Zudem verkaufen sich neue Produkte wie vegane Schokoladen-Sorten, die Lindt bei kostengünstigeren Inhaltsstoffen teurer als andere Lindt-Produkte verkauft, sehr gut. Der dynamisch positive Trend beim Online-Absatz hat sich fortgesetzt, das stabile Einzelhandel-Ganzjahresgeschäft hat robust zugelegt. Vor allem die Leader-Marken Lindor und Excellence waren erneut die weltweiten Wachstumstreiber.

Die Strategie von Lindt, den Anteil des gut planbaren Ganzjahresgeschäfts sowie den Omni-Channel-Vertrieb weiter auszubauen, geht weltweit auf. Vor allem mit ihren Produktneuheiten, die sie gut getaktet verlässlich launchen, gewinnen sie weltweit stetig Marktanteile und wachsen schneller als der globale Schokoladenmarkt.

Im großen US-Markt haben daneben Russell Stover und Ghirardelli gut zugelegt, letztere auch, weil sich das Food-Service-Geschäft nach Rückkehr von mehr Angestellten in Büros erholt. Russell Stover hat besonders gut abgeschnitten, weil die ganzjährig verfügbaren zuckerfreien Produkte sich immer besser verkaufen und sich außerdem das wichtige Saisongeschäft zum Valentinstag und zu Ostern stabilisiert hat. Auch das asiatische Geschäft hat dynamisch zugelegt, dort insbesondere der Absatz in Online-Vertriebskanälen.

Insgesamt ist das europäische Konzern-Geschäft mit 16,4% auf 941 Mio. CHF gewachsen, Nordamerika mit 18,8% auf 620,9 Mio. CHF und das Segment „Rest der Welt inkl. Retail“ mit 18% auf 237 Mio. CHF. Der Konzern-Umsatz übertrifft das Niveau von H1/2019 vor der Pandemie wieder leicht (damals 1,76 Mrd. CHF; H1/2020 wg. des damaligen ersten Lockdowns niedriger: 1,54 Mrd. CHF). Für das zweite Halbjahr erwartet Lindt eine Verlangsamung/erste Normalisierung des Wachstums, weshalb sie für das Geschäftsjahr 2021 ein organisches Umsatzwachstum (oW) im unteren zweistelligen Bereich prognostizieren. Weiterhin bestätigt Lindt den Plan, mittel- und langfristig mit 5% bis 7% oW zuzulegen und damit weiter schneller als der globale Schokoladenmarkt zu wachsen.

Die Margen: Sie haben sich in H1 deutlich erholt. Die Ebit-Marge erreicht mit 7,7% das Vorkrisen-Niveau (H1/2019: 7,2%) – wobei man beachten muss, dass Lindt in H2 immer erheblich besser verdient als in H1, da das Weihnachtsgeschäft vielfach größer ist als das Ostergeschäft, weshalb Lindt auf ein Geschäftsjahr (FY) bezogen in der Regel eine deutlich zweistellige operative Marge gelingt, meist 14% bis 15%. Für das Geschäftsjahr 2021 erwarten sie eine operative Marge (oM) am oberen Ende von 13% bis 14%, ab 2022 wollen sie – bei voll eingeschwungenem Geschäft – wieder im Bereich von 15% oM landen. Für die Folgejahre plant Lindt eine Steigerung der operativen Marge um 20 bis 40 Basispunkte pro Jahr. Die Free Cash Flow-Marge erreicht im ersten Halbjahr sehr gute 11,2% – trotz höherer Rohstoffkosten. Die Gründe für die hohe Free Cash Flow-Marge sind wachstumsbedingte Skaleneffekte und ein besserer Produktmix, welche die höheren Rohstoffkosten (über-)kompensiert haben; und dies trotz höherer Investitionen ins Wachstum. So wurde das Kakaomasse-Werk in Olten/Schweiz ausgebaut und die Produktionskapazitäten in Deutschland sowie in den USA ausgebaut.

Die Nettofinanzposition beträgt 494 Mio. CHF (ohne das Netto-Pensionsvermögen (!) von 1,95 Mrd. CHF), das Eigenkapital (EK) steigt um 1,9% auf 4,69 Mrd. CHF, die EK-Quote liegt bei hohen 58%. Die Gesamtkapitalverzinsung (RoCe) beträgt solide 10,5% FYe. Bei dem am 1. Juni gestarteten Aktien-Rückkaufprogramm (dauert längstens bis zum 31.12.2022), welches ein Volumen von 750 Mio. CHF hat, wurden Namensaktien und Partizipationsscheine (die Vorzugsaktien) für 57,1 Mio. CHF zurückgekauft (= 0,26% aller zum Beginn des Programms ausstehenden Namensaktien und Partizipationsscheine). Der Enterprise Value ist traditionell hoch. Das solide und wachsende Geschäft sowie die Aktienrückkäufe trieben den Aktienkurs auf immer neue Höchststände. Zum Berichtszeitpunkt beträgt der Enterprise Value das 52-fache des Free Cash Flows bzw. das 43-fache des Free Cash Flows 2022e und ist somit aktuell besonders hoch, was wir bei der Gewichtung von Lindt innerhalb unseres Portfolios entsprechend berücksichtigen.

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